International Day of Care and Support
Am 29. Oktober 2023 wird zum ersten Mal der International Day of Care and Support (auf Deutsch: Internationaler Tag der Pflege und Betreuung) begangen. Die Vereinten Nationen (UN) haben diesen im Sommer offiziell einberufen. Gewerkschaften auf der ganzen Welt nutzen den 29. Oktober bereits seit vier Jahren als Tag der Pflege, um auf die Relevanz der Pflege für unsere Gesellschaft und Wirtschaft aufmerksam zu machen.
Druck des internationalen Gewerkschaftsbundes
Der internationale Gewerkschaftsbund ITUC setzte sich jahrelang dafür ein, dass der 29. Oktober offiziell von den UN als Internationaler Tag der Pflege anerkannt wird und begrüßt diesen Schritt. Sie wollen den Tag nutzen, um Bewusstsein für die Relevanz von Pflege und die Notwendigkeit von Investitionen im Pflegesektor zu schaffen. Konkret fordern sie:
- Verstärkte öffentliche Investitionen in den Pflegesektor,
- Politische Maßnahmen für eine gerechtere Aufteilung von Pflege- und Betreuungsaufgaben zwischen den Geschlechtern, und
- Menschenwürdige Arbeitsbedingungen für alle Pflegekräfte.
Die Pflegewirtschaft und ihre Relevanz für Geschlechtergerechtigkeit
Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass das Funktionieren von Wirtschaft und Staat keine Selbstverständlichkeit ist. Um Krisen zu überstehen, sind alle Menschen auf ein soziales, solidarisches und fürsorgliches Miteinander angewiesen.
Zudem hat sie sehr deutlich gemacht, wie ungleichmäßig und geschlechtsspezifisch die Pflege- und Sorgearbeit (bezahlt und unbezahlt) in unserer Gesellschaft immer noch verteilt ist. Es sind mehrheitlich Frauen*, die im Pflegesektor arbeiten und unter den dort herrschenden, teils sehr prekären Arbeitsbedingungen und -belastungen leiden. Und auch zuhause sind es vor allem Frauen*, die die Betreuung und Pflege von Kindern und sonstigen Angehörigen übernehmen. Das führt nicht nur zu größerer psychischer Belastung, sondern hat auch großen Einfluss auf die Lohnlücke zwischen Männern* und Frauen*: Frauen* haben längere Erwerbsunterbrechungen, arbeiten häufiger in Teilzeit und weniger oft in Führungspositionen. Denn sie sind es, die sich um Kinder und andere Angehörige kümmern (Arbeitsagentur).
Diese geschlechtsspezifische Arbeitsteilung beeinflusst maßgeblich das höhere Armutsrisiko von Frauen* in allen Altersgruppen (laut Mikrozensus war die Armutsgefährdungsquote von Frauen* 2022 um 2 Prozentpunkte höher als die von Männern*). Besonders betroffen sind Alleinerziehende sowie Frauen* im Rentenalter.
Ökonomische Abhängigkeit kann zudem das Gewaltrisiko erhöhen: Bei wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Partner* fällt es Frauen* schwerer, sich zu trennen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Kinder in der Beziehung leben. Schätzungen gehen davon aus, dass die Ursachen von Wohnungslosigkeit von Frauen* in 25 Prozent der Fälle Trennung bzw. Scheidung und in 19 Prozent der Fälle eine akute Gewaltsituation durch den Partner* sind (Nationale Armutskonferenz 2017).
#InvestInCare und was sonst noch getan werden muss
Unter dem Hashtag #InvestInCare (Deutsch: in Pflege investieren) rufen der internationale Gewerkschaftsbund sowie weitere internationale Arbeitnehmer*innenvertretungen (etwa die Women in Informal Employment WIEGO) am 29.10. dazu auf, mehr in die Pflegewirtschaft zu investieren.
Auch die CEDAW-Allianz fordert die Bundesregierung in ihrem Alternativbericht dazu auf, alle frauendominierten sozialen und personenbezogenen Dienstleistungsberufe durch eine leistungsgerechte Vergütung aufzuwerten. Zudem sollte politischen Entscheidungen grundsätzlich ein ganzheitlichen Arbeitsbegriff zugrunde gelegt werden, der neben bezahlter Erwerbsarbeit auch unbezahlte Sorgearbeit berücksichtigt.
Konkret würde das bedeuten:
- den Wert von Sorge- und Hausarbeit in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung sichtbar zu machen
- das gleichstellungspolitische Handeln der Bundesregierung konsequent am Earner-Carer-Modell auszurichten und Frauen* wie Männern* in Paarbeziehungen eine eigenständige Existenzsicherung zu ermöglichen
- Fehlanreize für die nicht-partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit abzuschaffen und Männer* bei der Übernahme von Sorgeverantwortung stärker zu unterstützen
- die individuellen, nicht übertragbaren Elterngeldmonate zu erhöhen und finanzielle Anreize für die partnerschaftliche Aufteilung der übertragbaren Elterngeldmonate zu schaffen
- den Mindest- und Höchstbetrag anzuheben, zu dynamisieren und Elterngeld Plus sowie den Partnerschaftsbonus anzupassen
- alle Elterngeld-Regelungen für Alleinerziehende entsprechend anzupassen
- bezahlte Freistellung für den zweiten Elternteil rund um die Geburt einzuführen und die EU-Vereinbarkeitsrichtlinie in deutsches Recht umzusetzen
- eine Entgeltersatzleistung für Pflegezeiten analog zum Elterngeld einzuführen
- Ausbau der professionellen Pflege sowie wohnortnahe Entlastungsangebote für pflegende Angehörige (haushaltsnahe Dienstleistungen, bedarfsgerechte Kurzzeit-, Tages- und Nachtpflegeangebote)
- Beschäftigte, die für Erziehung oder Pflege ihre Arbeitszeit reduzieren oder ihre Berufstätigkeit unterbrechen, finanziell besser abzusichern und diese Zeiten rentenrechtlich angemessen zu berücksichtigen
- die Tarifbindung, besonders in der Pflege, zu stärken und haushaltsnahe Dienstleistungen durch öffentliche Zuschüsse zu fördern