06.02.2024

Internationaler Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung

Laut Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (unicef) sind weltweit mindestens 200 Millionen Frauen* und Mädchen* von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen. Zusätzlich sind 4 Millionen Mädchen* jährlich gefährdet, einer Beschneidung unterzogen zu werden. Ein derartiger Eingriff kann sich ein Leben lang schwerwiegend auf die körperliche und psychische Gesundheit auswirken. Um auf diese Menschenrechtsverletzung aufmerksam zu machen, findet seit 2003 am 6. Februar der „Internationale Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung“ statt.

Eine Praxis mit gravierenden gesundheitlichen Folgen

Die weibliche Genitalverstümmelung (im Englischen „Female Genital Mutilation“ oder „Female Genital Cutting“, kurz FGM/C) wird hauptsächlich an Mädchen* zwischen dem Säuglings- und dem Jugendalter, gelegentlich auch an erwachsenen Frauen*, vorgenommen (Weltgesundheitsorganisation, WHO). Diese Praktik wird in einigen Regionen seit Jahrhunderten als Tradition ausgeübt und mit religiösen oder gesellschaftlichen Pflichten oder der Sicherstellung der Jungfräulichkeit vor der Ehe begründet (minor – Projektkontor für Bildung und Forschung).

Konkret unterscheidet die WHO vier Typen von FGM/C:

  • Typ I: Die Klitoris und/oder die Klitorisvorhaut werden teilweise oder komplett entfernt.
  • Typ II: Die Klitoris und die kleinen Schamlippen werden teilweise oder vollständig entfernt.
  • Typ III: Auch Infibulation genannt; Schamlippen und/oder Klitoris werden teilweise oder vollständig entfernt, die Vaginalöffnung wird verengt bzw. verschlossen.
  • Typ IV: Alle anderen schädigenden Eingriffe, die die weiblichen* Genitalien verletzen und keinem medizinischen Zweck dienen, z.B. Einschneiden oder Stechen.

Der Eingriff findet meist unter katastrophalen hygienischen Bedingungen und ohne Betäubung statt. Betroffene leiden oft unter nachhaltigen gesundheitlichen und psychischen Problemen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) nennt als unmittelbare Konsequenzen unter anderem intensive Schmerzen, Blutungen, Urinstau und Entzündungen. Langfristig können Betroffene mit Problemen beim Geschlechtsverkehr, bei Schwangerschaft und Geburt konfrontiert werden. Darüber hinaus leiden viele Frauen* jahrelang unter dem erlebten Trauma und verlieren das Vertrauen in ihre Bezugspersonen. Zusätzlich können Angstzustände, Schamgefühle, Depressionen, Posttraumatische Störungen, Konzentrationsschwäche, Partnerschaftskonflikte und Psychosen auftreten (Bundeszentrale für politische Bildung, bpb).

Laut WHO sterben 10 Prozent der Betroffenen an den direkten Folgen einer FGM/C, in Folge einer Blutvergiftung oder von Blutverlust. Weitere 25 Prozent sterben an den langfristigen Folgen von FGM/C wie Infektionen mit Aids und Hepatitis oder Komplikationen bei der Geburt (bpb).

In Deutschland nimmt die Zahl der betroffenen Frauen* und Mädchen* weiter zu

Zwar ist die FGM/C vor allem in weiten Teilen Westafrikas, Ostafrikas und Zentralafrikas sowie in Ländern wie dem Jemen, dem Irak, in Indonesien und Malaysia weit verbreitet (INTEGRA Netzwerk), es sind jedoch auch Frauen* und Mädchen* in Europa betroffen.

Entsprechend einer vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) in Auftrag gegebenen Studie aus dem Jahr 2020 wird die Anzahl der in Deutschland lebenden Betroffenen auf etwa 67.000 geschätzt. Im Vergleich zu Zahlen von 2017 bedeutet dies einen Anstieg von etwa 40 Prozent. Die erhebliche Zunahme der betroffenen Frauen* und Mädchen* lässt sich laut BMFSFJ darauf zurückführen, dass eine verstärkte Zuwanderung aus Ländern erfolgte, in denen FGM/C praktiziert wird. In weiteren Schätzungen aus der Zivilgesellschaft wird davon ausgegangen, dass 103.947 Mädchen* und Frauen* von FGM/C betroffen und bis zu 17.271 Mädchen* in Deutschland potenziell gefährdet sind.

Ein Kontaktpunkt zu den Betroffenen von FGM/C besteht durch Hebammen. Da bei besonders schweren Formen von FGM/C die Gefahr besteht, dass die Geburt aufgrund von behinderten Wehen oder auftretenden Geweberissen sowohl für die Mutter* als auch das Kind lebensbedrohlich werden kann (BMZ), können Hebammen für betroffene Personen wichtige Ansprechpartner*innen sein (BMFSFJ). Seit Januar 2020 berücksichtigt die Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen die besondere Situation von Frauen*, die einer FGM/C unterzogen wurden. Um die Versorgung betroffener Frauen* rund um die Geburt weiter auszubauen, fordert die CEDAW-Allianz Deutschland (siehe Alternativbericht):

  • die Kennzeichnung von FGM/C vor allem Infibulation (Typ III) im Mutterpass, wenn ein ausdrückliches Einverständnis der Frau* vorliegt
  • die systematische Einbeziehung von Weiterbildungsangeboten zu geschlechtsspezifischer Gewalt, einschließlich FGM/C, in die Aus- und Weiterbildung relevanter Berufsgruppen

FGM/C als geschlechtsspezifische Gewalt

FGM/C ist eine Menschenrechtsverletzung. Sie manifestiert eine tief verwurzelte Geschlechterungleichheit und repräsentiert eine ausgeprägte Form der Diskriminierung gegenüber Mädchen* und Frauen*. Da FGM/C in der Regel an Minderjährigen durchgeführt wird, stellt sie auch einen klaren Verstoß gegen die Rechte von Kindern dar. Diese Praxis verletzt nicht nur das Recht auf Gesundheit, Sicherheit und körperliche Unversehrtheit, sondern auch das Recht auf Freiheit vor Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung. Darüber hinaus wird das Recht auf Leben verletzt, wenn der Eingriff zum Tod führt (WHO).

Aus diesem Grund ist FGM/C in vielen Staaten verboten. Auch in 24 von 29 Staaten, in denen Frauen* traditionell beschnitten werden, ist die Durchführung von FGM/C strafbar. Lediglich in Liberia, Somalia, Sierra Leone, Mali und dem Sudan existieren keine gesetzlichen Bestimmungen. In Deutschland ist FGM/C seit 2013 ein Strafbestand nach §226A Strafgesetzbuch. Aber auch durch internationale Abkommen wie die UN-Frauenrechtskonvention, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die Kinderrechtskonvention ist weibliche* Genitalverstümmelung rechtswidrig (Bundeszentrale für politische Bildung). So wird in den Allgemeinen Empfehlungen des CEDAW-Ausschusses zu Gewalt gegen Frauen* von 1992 weibliche Genitalverstümmelung als geschlechtsbezogene Gewalt und als eine fundamentale Menschenrechtsverletzung definiert (BMFSFJ).

Um diese Menschenrechtsverletzung auch in Deutschland effektiv zu bekämpfen, fordert die CEDAW-Allianz die Bundesregierung in ihrem Alternativbericht dazu auf, folgende Punkte umzusetzen:

  • einen Nationalen Aktionsplan gegen FGM/C
  • mehrsprachige und leicht zugängliche Informationen über Hilfsangebote an allen geeigneten Stellen (z. B. Behörden, Arztpraxen, Beratungsstellen, Schulen)
  • notwendige finanzielle Mittel bereitzustellen, um Projekte gegen FGM/C zu fördern, sowie Angebote bzw. Anlaufstellen bundesweit zu verbreiten und verbessern
  • die Durchführung einer nationalen Sensibilisierungskampagne