20.02.2024

Welttag der sozialen Gerechtigkeit am 20. Februar

Heute, am 20. Februar, wird jährlich der Welttag der sozialen Gerechtigkeit begangen. Er wurde 2009 von den Vereinten Nationen (UN) ins Leben gerufen, um darauf aufmerksam zu machen, dass weltweit Menschen aufgrund von Ungleichheit und Armut ein Leben in Würde und Sicherheit verwehrt wird.

Soziale Ungleichheit nimmt weltweit zu

Laut UN trägt soziale Gerechtigkeit dazu bei, dass Gesellschaften und Volkswirtschaften besser funktionieren und Armut, Ungleichheiten und soziale Spannungen abgebaut werden. Sie spielt eine wichtige Rolle bei der Erreichung inklusiver und nachhaltiger sozioökonomischer Entwicklungspfade und ist ein Schlüssel zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) der Agenda 2030.

Dennoch sind überall auf der Welt lebenswichtige Ressourcen sehr ungleich verteilt. Viele Menschen haben keinen Zugang zu Wohnungen, Arbeitsplätzen, Gesundheitsversorgung, Bildung und Ernährung. Die Coronapandemie hat das Gefälle zwischen arm und reich und die damit einhergehenden Ungleichheiten verschärft und auf besondere Weise sichtbar gemacht. 

Ein erst vor Kurzem veröffentlichter Bericht von Oxfam zeigt auf, dass die fünf reichsten Männer* der Welt ihr Vermögen seit 2020 von 405 Milliarden auf 869 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppelt, während die ärmsten 60 Prozent der Menschheit 20 Milliarden US-Dollar an Vermögen verloren haben. Das Vermögen aller Milliardär*innen wuchs dabei dreimal so schnell wie die Inflationsrate.

„Wenn jeder der fünf reichsten Männer täglich eine Million US-Dollar ausgeben würde, bräuchten sie 476 Jahre, um ihr gesamtes Vermögen zu verbrauchen.“

Quelle: INEQUALITY INC. How corporate power divides our world and the need for a new era of public action, eigene Übersetzung

Gleichzeitig ist die Zahl der von extremer Armut betroffenen Menschen seit 2020 um etwa 70 Millionen auf insgesamt 700 Millionen gestiegen – extreme Armut bedeutet hier, über weniger als 2,15 US-Dollar pro Tag zu verfügen (Weltbank). Insbesondere im Globalen Süden leiden arme Menschen bis heute an den Folgen von Pandemie, Kriegen und Konflikten sowie den Auswirkungen des Klimawandels, weil Nahrungsmittel und Energieträger teurer werden, und zugleich die Löhne stagnieren.

Doch auch in Deutschland zeigt sich ein ähnlicher Trend: Das Gesamtvermögen der fünf reichsten Deutschen ist seit 2020 inflationsbereinigt um rund Dreiviertel auf etwa 155 Milliarden US-Dollar gewachsen. Und dass, obwohl im Jahr 2022 insgesamt 26,8 Prozent der Menschen in Deutschland in Armut lebten (2010 lag die Quote noch bei 22,2 Prozent, vgl. Hans-Böckler-Stiftung). Dabei sind dem Armutsrisiko nicht alle Menschen gleich ausgesetzt: Überdurchschnittlich oft von Armut betroffen sind Ostdeutsche, Frauen*, Alleinerziehende, Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, Singles und Menschen, deren Schulabschluss maximal einem Hauptschulabschluss entspricht.

Auch eine Frage globaler Geschlechtergerechtigkeit

Laut Oxfam besitzen Männer* 105 Billionen US-Dollar mehr Vermögen als Frauen*. Dieser Unterschied entspricht mehr als dem Vierfachen der Größe der US-Wirtschaft.

Die Studie kommt jedoch noch zu einem weiteren Ergebnis: Ein Großteil dieses Vermögens ist im Globalen Norden konzentriert; insbesondere große multinationale Unternehmen haben in den vergangenen Jahrzehnten profitiert. Während immer mehr Menschen in extremer Armut leben, haben die größten Unternehmen in den Jahren 2021 und 2022 einen Gewinnzuwachs von 89 Prozent verzeichnet – und dieser hat sich hauptsächlich als Privatgewinn weniger superreicher Männer* im Globalen Norden niedergeschlagen. Im Gegenzug dazu sind es Frauen* im Globalen Süden, die am meisten unter der wachsenden Armut und Unsicherheit leiden, die mit den multiplen Krisen unserer Zeit einhergehen.

Auch in Deutschland haben Frauen* nicht nur deutlich weniger Vermögen als Männer*, sie sind auch einem höheren Armutsrisiko ausgesetzt (Mikrozensus 2022). Diese ungleiche Betroffenheit von Armut hängt unter anderem eng mit gesellschaftlichen Geschlechterrollen und der ungleichen Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zusammen: Aufgrund niedrigerer Renten sind Frauen* häufiger von Altersarmut betroffen, und die höchste Armutsgefährdungsquote verzeichnen Alleinerziehende – von denen 82 Prozent weiblich* sind.

Was zu tun wäre

Um Gleichstellung weltweit zu verbessern, müssten politische Maßnahmen die strukturelle Benachteiligung von formell und informell arbeitenden Frauen* in globalen Wertschöpfungsketten explizit adressieren. Ein wichtiger Schritt wäre die Einführung eines geschlechtergerechten, europaweiten Lieferkettengesetzes, das Unternehmen verpflichtet in der gesamten Wertschöpfungskette Sorgfalt walten zu lassen (s. Alternativbericht der CEDAW-Allianz).

Innenpolitisch bräuchte es einen ganzheitlichen Arbeitsbegriff, der unbezahlte Sorgearbeit genauso wie bezahlte Erwerbsarbeit berücksichtigt und vielfältige Maßnahmen, um Sorgearbeit gerecht aufzuteilen und Entgeltgerechtigkeit zu erreichen (mehr zu den detaillierten Forderungen der CEDAW-Allianz in unserem Alternativbericht). Zudem fordern Steuerrechtler*innen von der Bundesregierung, ihre Steuerpolitik grundlegend zu überdenken, da auch sie ein wichtiges Mittel im Kampf für mehr soziale Gerechtigkeit ist: Während insbesondere sehr hohe Vermögen und Erbschaften derzeit wenig bis gar nicht besteuert werden, werden Arbeitseinkommen mit Abgaben von 40 bis 50 Prozent belastet (mdr.de).

Da Frauen* deutlich seltener über Vermögen verfügen, zahlen sie anteilig zu ihrem Einkommen deutlich mehr Steuern als Männer*. Insgesamt belastet die aktuelle Steuerpolitik Geringverdienende stärker als wohlhabende Menschen, auch durch indirekte Abgaben wie die  Mehrwertsteuer. Damit ist sie ein Treiber für Ungleichheit.

Soziale Gerechtigkeit ist eine Grundvoraussetzung für nachhaltige Entwicklung und gleichberechtigte Teilhabe. Zudem wird auch in Deutschland immer mehr sichtbar: Große Ungleichheiten können die demokratische Stabilität in vielfältigen Gesellschaften gefährden. Um stattdessen eine gleichberechtigte Teilhabe und die faire Verteilung von Zeit, Geld und Macht zu erreichen, bedarf es angemessener Tarif- und Mindestlöhne, sozialer Absicherung sowie fairer Arbeitsbedingungen weltweit.