07.04.2024

Das Recht auf Gesundheit – internationaler Gesundheitstag

Heute vor 76 Jahren wurde die Weltgesundheitsorganisation WHO gegründet. Das ist der Anlass für den internationalen Gesundheitstag, der jährlich am 7. April stattfindet und auf das Menschenrecht auf Gesundheitsversorgung aufmerksam machen soll. Das diesjährige Motto lautet daher folgerichtig: My health, my right – auf Deutsch: Meine Gesundheit, mein Recht.

Das Recht auf Gesundheit ist weltweit aufgrund von Konflikten, Naturkatastrophen, den Folgen des Klimawandels und nicht zuletzt schlecht finanzierter Gesundheitssysteme bedroht. Die Corona-Pandemie hat überaus deutlich gemacht, wie fragil unsere Gesundheitssysteme in Zeiten verstärkter Belastung sind, auch in Deutschland. Zudem hat sie einmal mehr gezeigt, dass Krisen nicht alle gleich betreffen und es oftmals marginalisierte Gruppen sind, die besonders unter Einschränkungen und Engpässen in der Gesundheitsversorgung leiden.

Was hat Gesundheit mit Gleichstellung zu tun?

Grundlagenforschung und klinische Forschungsergebnisse zeigen, dass sich Frauen* und Männer* oft signifikant unterscheiden hinsichtlich Erkrankungen, den Wirkungen und Nebenwirkungen von Therapien und Medikamenten. Diese Geschlechtsspezifika werden jedoch oft nicht ausreichend erfasst und ausgewertet. Ein inzwischen recht bekanntes Beispiel ist der Herzinfarkt, der bei Frauen* deutlich häufiger tödlich endet als bei Männern*. Ein Grund dafür sind geschlechtsspezifische Symptome, die bisher kaum untersucht und gelehrt wurden, und daher auch unter Ärzt*innen zu wenig bekannt sind. Bis vor wenigen Jahren wurden die meisten klinischen Untersuchungen, beispielsweise Studien zur Wirksamkeit und zu Nebenwirkungen von Medikamenten, fast ausschließlich mit männlichen* Probanden durchgeführt. Inzwischen ist bekannt, dass Medikamente von weiblichen* Körpern in der Regel sehr viel langsamer abgebaut werden – dennoch werden meistens dieselben Dosen verschrieben. Das kann mitunter tödlich sein: So gibt es Beispiele von Herz-Kreislauf-Medikamenten, welche die Lebensdauer der einnehmenden Frauen* nachweislich verkürzen, während das bei Männern* nicht der Fall ist.  

Nicht nur medizinische Forschung leidet unter diesem Gender Bias, auch das behandelnde medizinische Personal ist nicht frei davon: Eine Studie aus Kanada hat gezeigt, dass für weibliche* Patientinnen die Wahrscheinlichkeit, nach einer Operation Komplikationen mit erneutem Krankenhausaufenthalt zu erleben, um 15 Prozent höher ist, wenn sie von einem Mann* operiert wurden statt von einer Frau*. Die Wahrscheinlichkeit, an den Folgen der Operation zu versterben, ist sogar um 32 Prozent höher. Ein umgekehrter Trend für Männer*, die von Frauen* operiert wurden, ließ sich nicht feststellen. Generell gilt: Frauen* warten länger auf einen Arzttermin als Männer*. Bei Frauen* werden zudem körperliche Symptome öfter nicht ernst genommen, und psychosomatischen Ursachen zugeschrieben, während es bei Männern* eher umgekehrt ist, und psychische Krankheiten oftmals undiagnostiziert bleiben.

Das Recht auf Gesundheit in der UN-Frauenrechtskonvention

Artikel 12 der Frauenrechtskonvention CEDAW verbietet Diskriminierung im Gesundheitswesen und verpflichtet die Vertragsstaaten, den gleichberechtigten Zugang von Frauen* zu Gesundheitsdiensten sicherzustellen. Ohne Berücksichtigung der Geschlechtsspezifik in Forschung und Behandlung werden Frauen* allerdings benachteiligt. Daher fordert die CEDAW-Allianz Deutschland:

  • die Umsetzung einer systematisch geschlechtersensiblen medizinischen Forschungsförderung und Forschung: alle Gesundheit und Krankheit betreffenden Daten sind durchgängig nach Geschlecht spezifiziert zu erheben und auszuwerten
  • dass die Gesundheitsberichterstattung sowie alle Analysen zum Versorgungsgeschehen geschlechterdifferenziert erfolgen und alle Qualitätsdaten geschlechtsspezifisch und unter Einbezug intersektionaler Aspekte erhoben und ausgewertet werden
  • notwendige Strukturen und Ressourcen für eine geschlechtsspezifische und damit frauengerechte Forschung und Versorgung zu gewährleisten: in Prävention, Screening, Diagnostik, Behandlung, Rehabilitation, Pflege und Palliativmedizin inkl. entsprechender Aus-, Fort- und Weiterbildungsmodule für Gesundheitsberufe
  • die Entwicklung aller Leitlinien der medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften geschlechtsspezifisch vorzunehmen und die Entwicklung geschlechtsspezifischer Gesundheitsinformationen und Entscheidungshilfen unter Beteiligung von Nutzer*innen direkt mit einzuschließen.

Zudem schreibt Artikel 16 CEDAW das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung von Frauen* und den Zugang zu den dafür erforderlichen Informationen und Mitteln fest. Deswegen zeigt sich der CEDAW-Ausschuss besorgt über die fortdauernde Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Er empfiehlt der Bundesregierung die vollständige Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, sowie die Abschaffung der obligatorischen Beratung und dreitägigen Wartezeit in Einklang mit den entsprechenden WHO-Leitlinien. Zudem sollen sichere und legale Abtreibungsdienste von der Krankenversicherung erstattet werden. Außerdem sei wichtig, eine ausreichende Zahl angemessen ausgebildeter medizinischer Fachkräfte für die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen zur Verfügung zu stellen und erschwingliche moderne Verhütungsmittel für alle Frauen* und Mädchen* im gebärfähigen Alter zugänglich zu machen, erforderlichenfalls kostenlos. Auch die CEDAW-Allianz fordert die Bundesregierung auf, den Zugang zu kostenlosen und sicheren Schwangerschaftsabbrüchen zu gewährleisten sowie evidenzbasierte Informationen zum Schwangerschaftsabbruch bereitzustellen, offensichtliche Falschinformationen im Internet sowie die Diffamierung einzelner Ärzt*innen und Gehsteigbelästigungen zu unterbinden. Zudem braucht es:

  • Aus-, Fort- und Weiterbildung von Ärzt*innen zu allen Formen des Schwangerschaftsabbruchs, insbesondere als verpflichtenden Teil der Fachärzt*innenausbildung in der Gynäkologie
  • die kostenfreie Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln für alle sowie die angemessene Beteiligung des Bundes an den Kosten
  • flächendeckende Beratungsangebote zu allen Aspekten von Sexualität und Schwangerschaft
  • die Bereitstellung und Unterstützung von Versorgungsangeboten zu sexueller Bildung.

Auch die Versorgung rund um die Geburt ist wichtiger Teil der reproduktiven Rechte. Anstatt auf die natürliche Fähigkeit von Frauen*, Kinder zu gebären, ausgerichtet zu sein, beherrscht in Deutschland eine Pathologie- und Risiko-Orientierung die geburtshilfliche Praxis. Die aktuelle Versorgung ist zu wenig frauzentriert, zu wenig evidenzbasiert und zu wenig leitliniengerecht. Schätzungen zufolge erlebt jede zweite Frau* Gewalt unter der Geburt, weshalb wir fordern, Gewalterfahrungen in der Geburtshilfe mit strukturellen Maßnahmen zu begegnen und traumatisierende Behandlungen und deren Langzeitfolgen systematisch zu erfassen. Zudem braucht es eine bedarfs- und leistungsgerechte Vergütung von geburtshilflichem Fachpersonal, und die Beseitigung von Fehlanreizen für Interventionen in den Geburtsverlauf im derzeitigen DRG-System. Diese Finanzierung über sogenannte Diagnosis Related Groups führt dazu, dass Krankenhäuser für alle Patient*innen ausschließlich die Kosten erstattet bekommen, die durchschnittlich bei der entsprechenden Diagnose anfallen. Für Geburten bedeutet das erstens, dass immer mehr kleine Kreißsäle oder Geburtsstationen schließen müssen, da sie nicht ausreichend Geburten betreuen, um den Aufwand zu finanzieren. Zweitens wird die Begleitung längerer Geburtsprozesse de facto nicht finanziert, sodass es zu unnötigen Kaiserschnitten oder anderweitigen Eingriffen kommt (s. Ärzteblatt). Zu prüfen wären alternative Finanzierungsmodelle, insbesondere für hebammengeleitete Geburten im Krankenhaus sowie zur Beseitigung struktureller Hürden, welche die Kooperation aller Berufsgruppen rund um die Geburt behindern.

Alle Forderungen der CEDAW-Allianz Deutschland für eine vollumfängliche und konsequente Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention im Bereich Gesundheit finden Sie in unserem Alternativbericht.