Erstes Arbeitsplenum der CEDAW-Allianz 2025

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Am 5. Juni 2025 fanden sich die Mitglieder der CEDAW-Allianz Deutschland online zum ersten Arbeitsplenum 2025 zusammen. Das Arbeitsplenum findet zweimal jährlich statt – abwechselnd online und in Präsenz – und ist der Ort, an dem die Delegierten der Mitgliedsorganisationen über die gemeinsame Arbeit entscheiden.

Es war eine intensive und besonders wichtige Sitzung, da die Aktualisierung des Statuts auf der Tagesordnung stand. Das Statut bildet die Grundlage der gemeinsamen Arbeit im Netzwerk und legt unter anderem das Selbstverständnis und die Gremien der CEDAW-Allianz fest. Eine eigens dafür gegründete Arbeitsgruppe hatte in den Monaten zuvor Anregungen und Ideen der Mitglieder gesammelt und nun Änderungsanträge eingereicht. Nach einer angeregten und konstruktiven Debatte wurden alle gemeinsam erarbeiteten Änderungen einstimmig angenommen.

Neben diesen wichtigen Abstimmungen berichteten die Koordinationsstelle, die Trägerorganisation und die Arbeitsgruppen über ihre Arbeit.

Die verschiedenen Arbeitsgruppen beschäftigen sich etwa mit der gemeinsamen Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit und werden ihre Arbeit bis zum kommenden Arbeitsplenum weiter fortsetzen. Dieses wird im Herbst erneut als Präsenzsitzung stattfinden.

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Die UN-Frauenrechtskonvention schützt vor geschlechtsspezifischer Diskriminierung – auch in der Arbeitswelt

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Welche Schutzbestimmungen aus der UN-Frauenrechtskonvention CEDAW sind für Diskriminierung am Arbeitsmarkt relevant? Was ist das transformative Potential der Konvention und wo mangelt es immer noch an der Umsetzung? Diesen und weiteren Fragen gingen die Teilnehmenden des Online-Workshops „Diskriminierungsfreiheit in der Arbeitswelt mit der UN-Frauenrechtskonvention“ am 22. Mai 2025 nach.

Es war bereits der dritte Workshop in der Reihe, die die UN-Frauenrechtskonvention kommunalen Akteur*innen aus Politik, Justiz und Verwaltung näherbringen soll. Die Referentin Prof. Dr. Isabell Hensel (djb, Universität Kassel) arbeitete in ihrem Input eindrücklich heraus, dass die Frauenrechtskonvention CEDAW große Relevanz auch in der Arbeitswelt hat: Mit ihrem Anspruch, nicht nur formell Gleichberechtigung zu schaffen, sondern tatsächlich materielle Gleichheit, gehe sie weiter als das deutsche Recht und habe großes transformatives Potential.

Für das Berufsleben spielen dabei etwa folgende Grundsätze eine wichtige Rolle:

  • die Verpflichtung, Diskriminierung auch durch private Akteur*innen, wie bspw. Unternehmen, zu unterbinden
  • die ausdrückliche Möglichkeit, materielle Gleichheit durch sogenannte „zeitweilige Sondermaßnahmen“ (etwa Frauenquoten) herzustellen
  • einem Fokus auf schädliche Auswirkungen von Geschlechterstereotypen, dem ein machtkritisches Verständnis von Diskriminierung zugrunde liegt
  • das Bekenntnis zur intersektionalen Schutzperspektive, dass der CEDAW-Ausschuss immer wieder betont

Dass es leider an der Umsetzung dieser Grundsätze noch fehlt, hat vielfache Ursachen. So werde die Frauenrechtskonvention noch viel zu wenig genutzt, insbesondere an deutschen Gerichten sei sie zu wenig bekannt, um als Rechtsgrundlage vollumfänglich Wirkung zu entfalten. Das liege auch an der juristischen Ausbildung, die Völkerrecht nur am Rande und die spezifischen Vorgaben von CEDAW meist überhaupt nicht berücksichtige.

Auch die Teilnehmerinnen berichteten aus ganz unterschiedlichen Perspektiven, dass es oft am Problembewusstsein fehle. Gerade Geschlechterstereotype und entsprechende (unbewusste) Rollenzuweisungen seien sehr schwer anzugehen. Oft gebe es sogar aktiven Widerstand in Politik und Verwaltung, bestehende Problemlagen anzuerkennen. Der Anteil von Frauen* in Führungspositionen mache dabei einen großen Unterschied, sei aber vielerorts viel zu gering. Die Gleichstellungsbeauftragten betonten zudem, dass ihr Mandat nicht stark genug sei und sie daher oft auf das Wohlwollen ihrer Kommune angewiesen sind.

Auch mit der Frage, wie die Frauenrechtskonvention besser für eine erfolgreiche Gleichstellungspolitik genutzt werden könne, beschäftigten sich die Teilnehmenden. Besonders wichtig erschien allen der Kapazitätsausbau in Justiz, Politik und Verwaltung. Auch junge Menschen müssten für die Inhalte der Konvention sensibilisiert werden. Der Gesetzgeber ist dabei klar in der Pflicht, die Einhaltung der Vorgaben auch durch Unternehmen durchzusetzen. Doch stattdessen beobachteten die Teilnehmenden, dass Gleichstellungsaspekte zunehmend „Wirtschaftlichkeitsfragen“ untergeordnet würden, und entsprechende Vorgaben als zu bürokratisch abgelehnt. Dabei ist Geschlechtergerechtigkeit elementarer Bestandteil einer zukunftsfähigen Wirtschaft. Ohne Frauen* kann es kein gerechtes Wachstum geben. Zudem ist Diversität ein wichtiger Aspekt auch für die Attraktivität eines Unternehmens – gerade in Zeiten von Fachkräftemangel lohnt es sich also durchaus, die Unternehmenskultur entsprechend weiterzuentwickeln.

Einig waren sich die Teilnehmenden auch, dass es mehr Ressourcen für gleichstellungspolitische Arbeit und mehr Räume für Vernetzung und Austausch braucht.

Bis Diskriminierungsfreiheit in der Arbeitswelt erreicht ist, bleibt noch viel zu tun. Dass die UN-Frauenrechtskonvention auf diesem Weg ein wichtiges Instrument ist, hat Prof. Dr. Isabell Hensel eindrücklich betont.

CEDAW schreibt auch fest, dass Frauen* gleichberechtigt mit Männern* Zugang zu politischen Gremien und Entscheidungsbildungsprozessen haben müssen. Daher wird sich der letzte Workshop der Reihe mit dem Thema „Diskriminierungsfreiheit und politische Teilhabe in der UN-Frauenrechtskonvention“ beschäftigen. Anmeldungen sind noch bis zum 9. Juni 2025 per E-Mail an kontakt@cedaw-allianz.de möglich.

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Zum Tag der Befreiung – Frauen* im Widerstand gegen den Nationalsozialismus

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Am 8. Mai feiern wir jährlich das Ende des Nationalsozialismus und gedenken seiner Opfer und vergessenen Held*innen. Am 8. Mai 1945 trat die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Kraft, der Tag markiert damit das Ende des Zweiten Weltkriegs und des nationalsozialistischen Regimes. Heute gilt der 8. Mai als Tag der Befreiung und ist gleichzeitig eine Mahnung, um an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern und sich für Frieden, Freiheit und Demokratie einzusetzen.

Auch wenn die Mehrheit der Deutschen Mitläufer*innen waren, gab es einige wenige Menschen, die sich mutig der nationalsozialistischen Diktatur entgegenstellten. Selbst, wenn es oft wenig bekannt ist, waren auch Frauen* im Widerstand organisiert.

Leider wurden sie lange ignoriert und viele Widerständlerinnen waren, wenn überhaupt, nur regional bekannt. Das liegt vor allem am Geschlechterbild der verfolgenden NS-Institutionen und an den gesellschaftlichen Rollenbildern, die auch nach dem Krieg anhielten. Frauen* wurden als weniger gefährlich eingeschätzt, ihnen wurden meist „sorgende“ Tätigkeiten zugeschrieben und sie wurden hauptsächlich als „Helferinnen“ und „Unterstützerinnen“ von im Widerstand aktiven Männern* betrachtet. Ihre aktive Teilnahme an Spionage, Sabotage oder bewaffneten Aufständen hat oftmals keine Beachtung gefunden. Besonders trifft das auf jüdische Frauen* zu: Jüdischer Widerstand und jüdische Selbstbehauptung fanden lange keinen Platz in der deutschen Erinnerungskultur und finden auch im heutigen Gedenken kaum statt. Dabei ist längst erwiesen, dass es sie gegeben hat, und dass auch Frauen* zahlreich beteiligt waren.

So spielten weibliche Kuriere im jüdischen Widerstand in Polen eine wichtige Rolle, indem sie Waffen, Papiere und Informationen in und aus Ghettos schmuggelten. Eine von Ihnen, Frumka Plotnicka, bereitete den Aufstand im Warschauer Ghetto militärisch vor und starb während des bewaffneten Widerstands in Będzin.

„Wenn wir schon sterben müssen, dann lasst uns alle zusammen sterben. Aber lasst uns nach einem heldenhaften Tod streben.“

Frumka Plotnicka im jüdischen Ghetto in Będzin, Februar 1943

Ein weiteres Beispiel sind die zahlreichen Frauen* der sogenannten „Roten Kapelle“ in Berlin, die unter anderem Verfolgte unterstützten und NS-Verbrechen dokumentierten. Die Widerstandskämpfer*innen wurden bis in die 1950er Jahre noch als „Verräter“ verunglimpft.

Und 2025? Einer aktuellen Studie zufolge stimmen erstmals mehr Menschen der Aussage zu, „es sei Zeit, für einen Schlussstrich unter die Zeit des Nationalsozialismus“, als sie ablehnen. Gleichzeitig nimmt das Wissen um die Geschichte des Nationalsozialismus ab. Das zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, dieses Kapitel der deutschen Geschichte nicht zu vergessen und weiterhin aufzuarbeiten.

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Verantwortung für Deutschland – Verantwortung für Frauenrechte? Wie es um die geplante Gleichstellungspolitik im Koalitionsvertrag steht

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Am 9. April hat die künftige Bundesregierung ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. Was planen Union und SPD zum Schutz der Frauenrechte und zur Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention CEDAW?

Union und SPD hatten sich einen straffen Zeitplan gesetzt und haben tatsächlich gut zwei Wochen nach der Wahl ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. Nun müssen die zuständigen Gremien von CDU, CSU und SPD zustimmen – bei der SPD bedeutet das einen Mitgliederentscheid, der noch bis zum 29. April laufen soll.

Auf knapp 150 Seiten wird ausgeführt, wie die nächsten vier Jahre politisch gestaltet werden sollen – teils äußerst vage, teils sehr konkret. Dabei bekennt sich die zukünftige Bundesregierung explizit dazu, die UN-Frauenrechtskonvention „konsequent umzusetzen und weiterzuentwickeln“ (Zeile 4116). Doch was bedeutet das konkret?

Schutz vor Diskriminierung

Um Diskriminierung zu bekämpfen, soll das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) reformiert, der Diskriminierungsschutz „gestärkt und verbessert“ werden (2954). Doch wie diese Reform konkret aussehen soll, bleibt offen. Welche Maßnahmen sinnvoll wären, um einen umfassenden Antidiskriminierungsschutz zu gewährleisten, hat beispielsweise das Bündnis AGG-Reform jetzt! festgehalten. Unter anderem fordert es eine Stärkung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS). Auch die CEDAW-Allianz Deutschland hält eine Erhöhung der personellen und finanziellen Ressourcen sowie der Befugnisse der ADS für notwendig, um den in der Frauenrechtskonvention verankerten Schutz vor Diskriminierung umzusetzen. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu bloß: „Die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle wird fortgesetzt.“ (3311)

Gleichstellung gibt es nur mit Beteiligung

Gleichstellung zwischen Frauen* und Männern* bezeichnet die künftige Bundesregierung als „zentrales Anliegen unserer gesamten Regierungsarbeit.“ (45) Damit formuliert sie einen hohen Anspruch, dem der restliche Text leider nicht gerecht wird. Zwar bekennt sie sich dazu, die Gleichstellungsstrategie weiterzuführen, hinterlegt dies aber weder mit konkreten Strukturen noch mit einem Finanzierungsrahmen zur Umsetzung. Für eine konsequente Umsetzung der Frauenrechtskonvention bräuchte es strukturelle Maßnahmen wie Gender Budgeting und Gender Mainstreaming, das hat der CEDAW-Ausschuss zuletzt 2023 betont. Im Koalitionsvertrag ist die Rede davon, „bereits in der Frühphase von Gesetzgebungsverfahren“ (1869) Praxischecks durchzuführen sowie Betroffene und Expert*innen anzuhören. Zudem soll die Einführung eines „ziel- und wirkungsorientierten Haushaltswesens“ (1864) geprüft werden. Doch bei beiden Vorhaben fehlt die Geschlechterperspektive. Gesetze und auch Haushaltspolitik haben nachweislich unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen* und Männer*, auch wenn das gar nicht beabsichtigt ist. Um sicherzustellen, dass Frauen* nicht benachteiligt werden, müssen diese Auswirkungen frühzeitig untersucht und ggf. gegengesteuert werden.

Auch zur politischen Beteiligung von Frauen*, zu der Deutschland durch die UN-Frauenrechtskonvention verpflichtet ist, werden keine konkreten Maßnahmen aufgeführt. Eine Wahlrechtskommission soll lediglich prüfen, „wie die gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen im Parlament gewährleistet werden kann“ (4517). Konkrete Ideen oder auch nur eine Willensbekundung zur paritätischen Teilhabe an politischen Prozessen fehlt. Dabei wäre das angesichts des gesunkenen Frauenanteils im Bundestag umso wichtiger.

Wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen* sichern und Sorgearbeit fair teilen

Die Erwerbsbeteiligung von Frauen* zu steigern wird als wichtige Maßnahme zur Fachkräftesicherung angeführt. Dafür wollen Union und SPD unbezahlte Arbeit fairer verteilen (3231). Unter anderem soll die Kinderbetreuungssituation verbessert, Freistellungsansprüche flexibler gestaltet und das Elterngeld erhöht werden. Letzteres soll zu „mehr Väterbeteiligung in alleiniger Verantwortung“ (3139) führen, indem Lohnersatzraten erhöht und Anzahl und Aufteilung der Bezugsmonate „verändert“ werden. Das ist zwar ein wichtiger Ansatz, wie es konkret ausgestaltet werden soll, wird allerdings nicht erläutert. Geprüft werden soll außerdem ein „jährliches Familienbudget für Alltagshelfer für Familien“ (409) sowie die Einführung eines Familienpflegegeldes (3295).

Zudem plant die Koalition die Möglichkeit einer wöchentlichen, statt einer täglichen Höchstarbeitszeit zu schaffen „im Sinne einer besseren Vereinbarung von Familie und Beruf“ (560). Doch das Aufweichen von arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen ist keine sinnvolle Maßnahme, um Sorgearbeit gerechter zu verteilen. Stattdessen müssten Arbeitgeber*innen stärker für familienfreundliche Arbeitsbedingungen in die Pflicht genommen und kollektivrechtliche und gesetzliche Optionen für eine lebensphasenorientierte Arbeitszeitgestaltung geschaffen werden.

Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie soll „bürokratiearm“ (3227) in nationales Recht umgesetzt werden, eine Kommission soll bis Ende 2025 Vorschläge dazu machen. So soll der Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ bis 2030 umgesetzt werden. Der djb kritisiert diesen Zeitplan sehr deutlich als Verletzung europäischen Rechts, da die EU-Richtlinie bis Juni 2026 in deutsches Recht zu übertragen ist – was mit den vorgestellten Vorhaben absehbar nicht einzuhalten sei. Ein Bundestariftreuegesetz soll die Tarifbindung bei der öffentlichen Auftragsvergabe erhöhen, zudem soll sich die unabhängige Mindestlohnkommission zukünftig neben der Tarifentwicklung „auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten“ (550) orientieren. Ziel ist ein Mindestlohn von 15 Euro bis 2026.

Gewaltschutz braucht mehr als Strafrechtsverschärfungen

Auch Gewalt gegen Frauen* will die neue Bundesregierung wirksam bekämpfen. Dazu schlägt sie vor allem rechtliche Maßnahmen vor. So soll“ ein neues Qualifikationsmerkmal bei den Tatbeständen von Mord“ (2919) an besonders verletzlichen Personen eingeführt werden. Zudem soll der Strafrahmen bei Nachstellungen, Gruppenvergewaltigungen sowie Zuwiderhandlungen gegen das Gewaltschutzgesetz verschärft werden, für verbale Belästigung soll das zumindest geprüft werden. Die Verwendung von GPS-Trackern soll in den Stalking-Paragraphen aufgenommen und zukünftig nur mit Einverständnis der Gerätebesitzer*innen möglich sein. Zudem sollen Fußfesseln und verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings für Täter häuslicher Gewalt eingeführt werden (2923). Ein digitales Gewaltschutzgesetz soll die Rechtsstellung Betroffener verbessern und „die Sperrung auch anonymer Hass-Accounts mit strafbaren Inhalten“ (2938) ermöglichen. Das sind zwar sinnvolle Maßnahmen, doch um das Menschenrecht auf Gewaltfreiheit umzusetzen, braucht es mehr als Strafrechtsverschärfungen.

Zwar bekennen sich Union und SPD zur Umsetzung der Istanbul-Konvention und der EU-Gewaltschutzstrategie und wollen die Gewaltschutzstrategie zu einem Nationalen Aktionsplan weiterentwickeln (3271). Präventions-, Aufklärungs- und Täterarbeit soll – genauso wie die Koordinierungsstelle Geschlechtsspezifische Gewalt – gestärkt werden, was zu begrüßen ist. Doch leider finden sich keine weiteren Maßnahmen, um den dringend notwendigen Ausbau der Schutz- und Unterstützungsstrukturen voranzutreiben. Um den Vorgaben der Istanbul-Konvention gerecht zu werden, fehlen bundesweit immer noch Tausende Frauenhausplätze. Das wird im Koalitionsvertrag mit keinem Wort erwähnt.

Menschenhandel wird leider nur in Zusammenhang mit der Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes erwähnt. Was fehlt, sind Ansätze, um Betroffene in verschiedenen Sektoren besser zu identifizieren und ihnen Zugang zu Schutz und Unterstützung zu ermöglichen. Weibliche Genitalverstümmelung wird gar nicht erwähnt, obwohl in Deutschland zunehmend junge Frauen* und Mädchen* davon betroffen sind.

Positiv zu bewerten ist hingegen, dass der Koalitionsvertrag festschreibt, häusliche Gewalt sei „zulasten des Gewalttäters im Sorge- und Umgangsrecht maßgeblich zu berücksichtigen“ (2906). Auch das Ziel, geflüchtete Frauen* besser vor Gewalt zu schützen, und daher „Erleichterungen bei Residenzpflicht und Wohnsitzauflage“ (3067) ist zu begrüßen. Um geflüchtete Frauen* vor Gewalt zu schützen, braucht es allerdings mehr: bessere Gewaltschutzkonzepte in den Unterkünften, mehr dezentrale Unterbringung sowie die Abschaffung von §87 AufenthG zur Übermittlungspflicht, um den angstfreien Zugang zu Schutz und Unterstützung sicherzustellen. Die CEDAW-Allianz Deutschland fordert einen menschenrechtskonformen Umgang mit Geflüchteten als Priorität der Innenpolitik!

Geschlechtergerechte Gesundheitsversorgung gibt es nicht ohne reproduktive Rechte

Im Bereich Gesundheit bekennt sich die Koalition zu einem geschlechts- und diversitätssensiblen Ansatz in Vorsorge, Behandlung und Forschung (3542). Zudem soll „Forschung zu Frauengesundheit“ (2537) gefördert werden. Das sind sehr wichtige und längst überfällige Maßnahmen, um eine diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Leider sind die Pläne im Feld der reproduktiven Gesundheit nicht so ambitioniert. Lediglich geprüft werden soll die „kostenlosen Abgabe von ärztlich verordneten Verhütungsmitteln für Frauen um weitere zwei Jahre bis zum 24. Lebensjahr“ (3261). Zwar will die künftige Bundesregierung den Zugang zu Gynäkologie, Geburtshilfe und Hebammenversorgung flächendeckend sichern (3546), aber wie genau dieser Anspruch verwirklicht werden soll, wird nicht ausgeführt. Gewalt in der Geburtshilfe wird als Problem gar nicht erst erwähnt.

Auch beim Thema Schwangerschaftsabbruch bleibt der Koalitionsvertrag hinter dem Anspruch zurück, die UN-Frauenrechtskonvention konsequent umzusetzen. Union und SPD scheinen die prekäre Versorgungslage anzuerkennen, denn sie schreiben, dass sie „den Zugang zu medizinisch sicherer und wohnortnaher Versorgung ermöglichen“ (3256) wollen. Doch außer der „Stärkung“ der medizinischen Weiterbildung werden keine Maßnahmen genannt, um das zu erreichen. Die Kostenübernahme durch die Krankenkassen soll „erweitert“ werden, genauer ausgeführt wird aber auch das nicht. Um die Regelung zum Schwangerschaftsabbruch an internationale Menschenrechtsabkommen anzupassen, reicht das nicht! Wir fordern weiterhin, die Kriminalisierung von Frauen* und Ärzt*innen zu beenden und die Pflichtberatung sowie die 3-tägige Wartefrist abzuschaffen.

Internationaler Verantwortung gerecht werden

Mit Blick auf ihre globale Verantwortung verspricht die Koalition, sich „weiterhin weltweit für die Bekämpfung von Armut, Hunger und Ungleichheit“ (3986) und „für die Erreichung der internationalen Nachhaltigkeitsziele sowie des Pariser Klimaschutzabkommens einzusetzen“ (3988). Um Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, sollen Treibhausgase wie CO2 reduziert und der Emissionshandel vor allem auf europäischer Ebene vorangetrieben werden. Erneuerbare Energien sollen ausgebaut werden, allerdings ist weiterhin von einer „Kraftwerksstrategie“ (947) die Rede, ohne das weiter auszuführen. Auch zur internationalen Klimafinanzierung wird nichts weiter festgehalten, als das Deutschland weiterhin einen „fairen Anteil“ (4268) bereitstellen wird. Zudem ist von einem „ambitionierten Post-Agenda-2030-Rahmenwerk“ (ebd.) die Rede, ebenfalls ohne Details. Frauen* und Mädchen*, sowie ihre Rechte und ihr Zugang zu Mitteln der internationalen Klimafinanzierung werden in diesem Zusammenhang gar nicht erwähnt.

Auch die von der Ampel-Regierung eingeführte feministische Außen- und Entwicklungspolitik findet keinerlei Erwähnung mehr. Stattdessen soll die Entwicklungszusammenarbeit und auch die Rüstungsexportpolitik stärker an nationalen Interessen ausgerichtet werden (4194). Die UN-Resolution 1325 Frauen, Frieden und Sicherheit soll konsequent umgesetzt und weiterentwickelt werden. Zwar wird die Förderung von Frauen und Mädchen und insbesondere die „Förderung des Rechts auf sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte“ (4238) explizit als Ziel der Entwicklungszusammenarbeit erwähnt, doch gleichzeitig soll sie strategisch vor allem zur Migrationssteuerung (4252) und zur Sicherung des Zugangs zu Rohstoffen (4235) eingesetzt werden. Die öffentlichen Gelder des Bundes zur Entwicklungszusammenarbeit sollen reduziert werden, um wie viel ist nicht konkret festgehalten.

Das deutsche Lieferkettengesetz soll abgeschafft, und durch ein durch ein „Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung, das die Europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) bürokratiearm und vollzugsfreundlich umsetzt“ (1911) ersetzt werden. Das wäre sowieso nötig geworden, da die Europäische Richtlinie mit ihren derzeitigen Vorgaben über die Schutzbestimmungen des deutschen Gesetzes hinaus geht. Doch das EU-Gesetz soll nochmal reformiert und deutlich abgeschwächt werden. Dafür hatte sich insbesondere Deutschland wiederholt eingesetzt. Wie die Bundesregierung also in Zukunft Menschenrechte entlang der Wertschöpfungsketten schützen wird, bleibt ungewiss. Dass auch die UN-Frauenrechtskonvention Unternehmen dazu verpflichtet, menschenrechtliche Sorgfalt walten zu lassen, daran hatte der CEDAW-Ausschuss Deutschland erst 2023 noch einmal erinnert. Er forderte die Verschärfung des deutschen Lieferkettengesetzes, anstatt seiner Abschwächung.

Wir brauchen mehr!

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Vorhaben der Koalition aus Union und SPD nicht ausreichen, um ihrem Versprechen, die UN-Frauenrechtskonvention konsequent umzusetzen, gerecht zu werden. Zwar sind viele wichtige Ziele und Vorhaben dabei, doch bleiben auch diese guten Ansätze oft zu unkonkret. Um Frauenrechte in Deutschland und weltweit zu schützen und zu stärken, brauchen wir mehr! Die derzeitigen Krisen und Herausforderungen dürfen nicht als Begründung dienen, eine weniger ambitionierte Gleichstellungs- und Antidiskriminierungspolitik zu verfolgen. Gerade in unsicheren Zeiten braucht es den aktiven Schutz der Frauen- und Menschenrechte!

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Repräsentanz von Frauen* als Grundvoraussetzung für demokratische Teilhabe

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Im Oktober 2024 hat der CEDAW-Ausschuss der Vereinten Nationen seine 40. Empfehlung zur Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention veröffentlicht. Sie legt fest, wie die Vertragsstaaten die gleichberechtigte politische Teilhabe von Frauen* und Mädchen* sicherstellen sollen.  

Der CEDAW-Ausschuss ist das Gremium der Vereinten Nationen, das die Umsetzung der Frauenrechtskonvention CEDAW überwacht. Neben dem Staatenberichtsverfahren gibt er regelmäßig sogenannte Allgemeine Empfehlungen (engl. General Recommendations) heraus, die die Bestimmungen aus der Konvention konkretisieren. 

In seiner aktuellen Empfehlung betont der Ausschuss eindringlich: Gerade in Zeiten multipler Krisen und Herausforderungen, rasanter technologischer Entwicklungen und globaler Umbrüche braucht es mehr Gleichstellung – nicht weniger. Denn Gleichstellung ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit für freie und stabile Gesellschaften und verdient daher adäquate Aufmerksamkeit. Jede Krise lässt sich besser durch diverse Gruppen lösen, die verschiedene Perspektiven und Erfahrungen einen.  

Die neue Bundesregierung steht nun vor der Aufgabe, strukturelle Diskriminierung abzubauen, Frauenrechte in Bildung, Wirtschaft und Außenpolitik zu verankern und konsequent gegen geschlechtsspezifische Hassrede vorzugehen sowie eine paritätische Verteilung in allen Arbeitsbereichen gesetzlich zu verankern. Sie hat die Gelegenheit, politische Teilhabe von Frauen* und Mädchen* auch strukturell umzusetzen und damit mittel- sowie langfristig eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen.  

Der Ausschuss zeigt sich besorgt über weltweit schrumpfende zivilgesellschaftliche Handlungsspielräume und betont die wichtige Rolle einer starken Zivilgesellschaft. Für die politische Teilhabe von Frauen* und Mädchen* sei die finanzielle Unterstützung von Frauen- und Mädchenorganisationen in der Zivilgesellschaft sowie ihre substanzielle Beteiligung an politischen Prozessen essenziell. Die Botschaft ist klar: Nicht trotz, sondern gerade aufgrund der angespannten politischen Situation braucht es auch in der kommenden Legislatur genügend Mittel für Frauenrechtsorganisationen!  

Auch die Rolle staatlicher Frauen- und Gleichstellungsgremien wird in der Empfehlung betont. Diese sind notwendig, um Geschlechtergerechtigkeit zu fördern sowie Diskriminierung und Stereotype auf allen Ebenen zu überwinden.  

In Führungspositionen sowie in allen politischen Entscheidungsgremien empfiehlt der Ausschuss Maßnahmen für Parität. Dabei macht er explizit: Sollte es bislang gesetzliche Hürden für Paritätsregelungen geben, müssen diese angepasst werden! Um die UN-Frauenrechtskonvention umzusetzen, ist es also auch in Deutschland höchste Zeit für ein Paritätsgesetz, selbst wenn dafür eine Änderung des Grundgesetzes nötig wäre. Dass zeitweilige Sondermaßnahmen, wie bspw. Frauenquoten, keinen diskriminierenden Charakter haben, sondern im Gegenteil als Ausgleich bestehender Benachteiligung fungieren, ist bereits im Konventionstext festgehalten. Entsprechende Regelungen im Wahlrecht würden die Gleichberechtigung weiter fördern, demokratisch adäquate Repräsentation und damit Legitimität sicherstellen, eine vielfältigere Politikgestaltung gewährleisten sowie als Vorbildfunktion für notwendigen gesellschaftlichen Wandel gelten.  

Ein weiteres Kernthema der Empfehlung ist die feministische Außen- und Sicherheitspolitik: Geschlechtergerechte Strukturen müssen sich auch in der internationalen Zusammenarbeit widerspiegeln – sei es durch wirtschaftliche Gleichstellung, den Schutz sexueller und reproduktiver Rechte oder eine paritätische Besetzung diplomatischer Ämter. Die neue Bundesregierung sollte sich diese Empfehlungen zu Herzen nehmen und die in der vergangenen Legislaturperiode eingeführte feministische Außen- und Entwicklungspolitik für eine friedlichere, gerechtere und stabilere Welt fortsetzen. 

Besonders alarmierend ist die zunehmende Hassrede und digitale Gewalt gegen Frauen* und Mädchen*, die deren politische Teilhabe massiv einschränkt und somit eine direkte Bedrohung für die Demokratie darstellt. Das erkennt der Ausschuss an, indem er legislative und sonstige Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Hassrede anmahnt. Auch Social-Media-Unternehmen sollen dazu verpflichtet werden, gegen geschlechtsspezifische Angriffe vorzugehen.  

Nicht zuletzt betont der Ausschuss die Bedeutung einer intersektionalen Geschlechterperspektive in allen politischen Bereichen. Dazu gehören die Gewährleistung von Nichtdiskriminierung und substanzieller Gleichstellung, das Bekämpfen von Geschlechter-Stereotypen sowie die Repräsentation von Frauen* in ihrer ganzen Vielfalt. Der Ausschuss betont, wie unabdingbar es ist, die komplette Bandbreite der Gesellschaft in der politischen Entscheidungsfindung widerzuspiegeln. 

Die detaillierten Inhalte der aktuellen Empfehlung Nr. 40 haben wir hier zusammengefasst: 

Roadmap zur Parität 

In der Einleitung stellt der Ausschuss fest, dass Frauen* das Recht auf gleichberechtigte und inklusive Teilhabe an allen Entscheidungssystemen haben, doch dass dieses Recht trotz Fortschritten in den Vertragsstaaten weiterhin nicht vollständig respektiert wird. Dies behindert die Umsetzung anderer Rechte der CEDAW-Konvention und erschwert die Bewältigung globaler Herausforderungen. Die GR soll daher einen Leitfaden bieten, um systematische Veränderungen herbeizuführen und Parität (50:50) in Entscheidungsprozessen aller Sektoren – politisch, wirtschaftlich, privat und digital – zu erreichen. Dabei werden gesetzliche, politische und programmatische Maßnahmen definiert. Zudem betont die GR die Bedeutung der Jugend und zukünftiger Generationen für eine friedliche und gleichberechtigte Gesellschaft. 

Gleichberechtigte und inklusive Repräsentation von Frauen in Entscheidungssystemen als Game-Changing Lösung 

Der Ausschuss stellt fest, dass immer mehr dringende und tiefgreifende Herausforderungen im Zusammenhang mit Frieden, politischer Stabilität, wirtschaftlicher Entwicklung, Klimawandel, Künstlicher Intelligenz und der Nachhaltigkeit des multilateralen Systems die Umsetzung der Konvention beeinflussen und Gesellschaften verändern. Um diese Komplexität zu bewältigen, ist kollektive Intelligenz erforderlich, indem Parität in Entscheidungsprozessen verankert wird. Ein „Paritätsaufschwung“ auf allen Ebenen ist nötig, um gemeinsame Entscheidungen zu ermöglichen und innovative Lösungen für widerstandsfähige Gesellschaften zu entwickeln. 

Allgemeine Verpflichtungen zur Erreichung einer gleichberechtigten und umfassenden Vertretung von Frauen in Entscheidungsfindungssystemen 

Hierzu gehören die Gewährleistung von Nichtdiskriminierung und substanzieller Gleichstellung, die Intersektionalität und Vielfalt von Frauen*, das Auflösen von Gender-Stereotypen sowie die Repräsentation von Frauen* in ihrer ganzen Vielfalt unter gleichen Bedingungen wie Männer*. Des Weiteren ist die Erziehung zu Eigenverantwortung und Führung relevant als auch die Freiheit von geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen* und Belästigung sowie die Vertretung von Frauenrechtsorganisationen in Entscheidungsprozessen. 

Spezifische Verpflichtungen zur Erreichung einer gleichberechtigten und integrativen Vertretung von Frauen in Entscheidungsfindungssystemen 

Dazu gehört unter anderem die Parität in politischen und öffentlichen Entscheidungsprozessen wie z.B. das Wahlrecht, das Recht für Wahlen und Ämter zu kandidieren, oder an politischen oder nichtstaatlichen Organisationen teilzunehmen. 

Parität in internationalen Entscheidungsprozessen sollte u.a. das Recht, Regierungen auf internationaler Ebene zu vertreten, Parität in der Friedens- und Sicherheitsentscheidung und Parität in wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen, umfassen. 

Ebenso im privaten Bereich gelten Frauenrechte als Voraussetzung für den Zugang zu Entscheidungsprozessen. Zudem bestehen eine Verantwortlichkeit und Überwachung der Verpflichtungen der Staaten zur Erreichung von Paritätssystemen sowie Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft zur Sicherstellung von Paritätssystemen. 

7 Pfeiler der gleichberechtigten und integrativen Vertretung von Frauen* in Entscheidungsfindungssystemen 

Laut Ausschuss ist das Patriarchat ein tief verwurzeltes Machtgefüge, das Frauen* in die private und Männer* in die öffentliche Sphäre drängt. In extremer Form manifestierte es sich als institutionalisiertes System der Unterdrückung, oft als „Gender-Apartheid“ bezeichnet.  

Um dem zu begegnen, definiert der Ausschuss sieben Säulen für eine gleichberechtigte Entscheidungsfindung: 

(1) 50:50-Parität als Norm: Wirkliche Gleichberechtigung erfordert eine 50:50-Parität, die dauerhaft die Interessen beider Geschlechter berücksichtigt und bestehende Machtstrukturen aufbricht.  

(2) Führung junger Menschen durch Parität: Geschlechtsspezifische Ungleichheiten zwischen jungen Frauen* und Männern* erschweren ihren Beitrag zur Gestaltung einer gerechteren Welt. Ein transformativer Ansatz ist nötig, um Parität in Entscheidungsprozessen für heutige und zukünftige Generationen zu erreichen. 

(3) Intersektionalität und Vielfalt: Die Konvention fordert Staaten auf, Diskriminierung von Frauen* in all ihren Formen zu bekämpfen, einschließlich neu entstehender Diskriminierungsformen. Um inklusive Entscheidungsfindungssysteme zu gewährleisten, müssen Frauen* in ihrer ganzen Vielfalt in der Politik führend beteiligt sein. 

(4) Ganzheitlicher Ansatz: Entscheidungsfindung erstreckt sich über verschiedene miteinander verbundene Bereiche. Artikel 7 der Konvention garantiert diskriminierungsfreie Beteiligung und umfasst die Beteiligung von Frauen* in allen Bereichen des politischen und öffentlichen Lebens. Artikel 8 garantiert zudem ihr Recht, Regierungen international zu vertreten und an internationalen Organisationen mitzuwirken. Die Beteiligung von Frauen ist auch in neu entstehenden Feldern, wie bspw. Künstliche Intelligenz, entscheidend.  

(5) Gleichberechtigte Machtverteilung: Da eine rein symbolische Beteiligung unzureichend ist, müssen Frauen* auf allen Ebenen gleichberechtigt in Entscheidungsprozesse eingebunden sein. Gleichberechtigte und inklusive Repräsentation bedeutet, dass alle politischen Ämter für Frauen* und Männer* zugänglich sind sowie Themenfelder gleichwertig behandelt werden. Zudem ist gemeint, dass die stereotypischen Rollenmuster und Normen sich wandeln sollten hin zu gleichen Voraussetzungen für Frauen* und Männer*, Führungspositionen zu übernehmen.  

(6) Strukturelle Transformation: Die Präambel sowie die Artikel 5 und 11.2 (c) der Konvention fordern den Wandel stereotyper Geschlechterrollen in Gesellschaft und Familie sowie eine Neubewertung von Arbeit, um echte Gleichstellung zu erreichen. Ein solcher Wandel erfordert eine strukturelle Neuausrichtung von Geschlechterrollen in öffentlichen und privaten Bereichen. Das Ziel ist ein Umfeld, in dem Frauen* wie Männer* berufliche und familiäre Pflichten in Einklang bringen können – etwa durch eine neue Arbeitsorganisation sowie eine veränderte Bewertung von Produktivität, Monetarisierung und der Fürsorgeökonomie. 

(7) Einbindung der Zivilgesellschaft: Der Ausschuss betrachtet die gleichberechtigte Vertretung von Frauen* in der Zivilgesellschaft, insbesondere die Rolle von Frauenrechtsorganisationen und Frauenrechtsverteidigerinnen, als essenziell für die geschlechtergerechte Gestaltung von Entscheidungsprozessen. Staaten sollten Hindernisse abbauen, den schrumpfenden zivilen Handlungsspielraum umkehren, Rechte schützen und finanzielle sowie kapazitätsfördernde Unterstützung für Frauen*- und Mädchenorganisationen bereitstellen. 

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Zum Start der Koalitions­verhandlungen: Die Zeit für Menschenrechte und Gleichberechtigung ist jetzt!

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Heute, am 13. März, starten die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU/CSU. In 16 Arbeitsgruppen mit insgesamt 256 Mitgliedern wird ein Koalitionsvertrag ausgehandelt, der möglichst konkrete Zielvorgaben enthalten soll. Die CEDAW-Allianz Deutschland bekräftigt ihre Forderung, den Schutz der Menschenrechte und die Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention auf die politische Agenda zu setzen. Die wichtigsten Forderungen an die neue Bundesregierung sind hier zusammengefasst: Forderungen CEDAW-Allianz.

Die Bundesregierung hätte die historische Chance, Frauenrechte, Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellungsmaßnahmen nachhaltig zu stärken. In Zeiten multipler Krisen und historischer Herausforderungen müssen Menschenrechte sowie eine aktive und inklusive Zivilgesellschaft gestärkt werden, anstatt sie als verzichtbaren Bonus zu betrachten!

Das Sondierungspapier zeigt leider bereits jetzt, dass Fortschritte in Sachen Geschlechtergerechtigkeit nur bedingt möglich sein werden, wenn der Koalitionsvertrag ähnlich aussieht. Nicht als eigenständiger Punkt, sondern unter „Weitere Vorhaben“ werden gleiche Rechte und Chancen für Frauen* und die Abschaffung des Gender Pay Gap angesprochen. Gesetzliche Schritte zu diesem Zweck sollen geprüft werden. Partnerschaftlichkeit in Familien soll durch mehr Betreuungsplätze erreicht werden.

Wir brauchen mehr als das. Wir brauchen reale Möglichkeiten und mehr statt weniger Ressourcen zur gleichberechtigen Teilhabe. Wir brauchen gezielte, intersektional gedachte Gleichstellungsmaßnahmen gegen die strukturelle Benachteiligung von Frauen* und eine zukunftsorientierte Klimapolitik.
Wir fordern ein klares Bekenntnis zum Schutz universeller Menschenrechte und zur Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention im Koalitionsvertrag!

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Plakatkampagne zur UN-Frauenrechtskonvention

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Das Projekt „Gleichstellung sichtbar machen – CEDAW in Niedersachsen“ hat Plakate zur UN-Frauenrechtskonvention entwickelt, die kostenlos heruntergeladen werden können. Ziel ist es, die UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW) sichtbar zu machen und ihr Potenzial für die Verwirklichung einer geschlechtergerechten Gesellschaft zu verdeutlichen.

Die UN-Frauenrechtskonvention ist der zentrale Menschenrechtsvertrag speziell für die Rechte von Frauen* und Mädchen* und verbietet ihre Diskriminierung in allen Lebensbereichen. Die Plakate sollen aufzeigen, wie weitreichend die Vorgaben der Konvention sind. Sie können in drei Hintergrundfarben als PDF hier heruntergeladen werden.

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Kenne deine (Menschen-)Rechte – Die CEDAW-Allianz beim Lila-Podcast

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Am 20. Februar war die CEDAW-Allianz Deutschland zu Gast beim Lila-Podcast. Dessen Motto – Feminismus für alle – können wir nur unterschreiben. Zudem haben wir in der Folge deutlich gemacht: Auch Menschenrechte müssen für alle gelten! Auf dem Weg dahin ist die UN-Frauenrechtskonvention ein zentrales Instrument für Frauenrechte.

Gemeinsam mit unseren Mitgliedsorganisationen DaMigra e.V., profamilia, bff – Frauen gegen Gewalt e.V., und der Zentralen Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser haben wir die Arbeit der CEDAW-Allianz vorgestellt. Besonderes Augenmerk lag dabei auf zwei Themen, die die Frauenbewegung seit der Verabschiedung der Frauenrechtskonvention in den 1970er Jahren beschäftigen: Reproduktive Rechte (insbesondere das Recht auf Schwangerschaftsabbruch) sowie Gewalt gegen Frauen* mit Schwerpunkten auf digitaler Gewalt und Gewalt in Sorge- und Umgangsverfahren.

Drei Tage vor der Bundestagswahl spielte natürlich auch der zunehmende Rechtspopulismus und -extremismus eine Rolle, der sowohl die Zivilgesellschaft als auch Frauenrechte akut bedroht.

Die ganze Folge gibt es hier zu hören: Kenne deine (Menschen-)Rechte: Was die UN-Frauenrechtskonvention CEDAW bringt – Der Lila Podcast.

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Programmvergleich zur Bundestagswahl – was fordern die Parteien in Sachen Gleichstellung?

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Im Vorfeld der Bundestagswahlen am 23. Februar 2025 haben wir einen Programmvergleich der im Bundestag vertretenen demokratischen Parteien durchgeführt. Wir haben uns die Wahlprogramme von SPD, CDU/CSU, Bündnis90/Die Grünen, FDP, Die Linke sowie BSW in Hinblick auf ihre gleichstellungspolitische Agenda angeschaut und entsprechend unserer sechs Themenbereiche parteienspezifisch die jeweiligen Positionen zusammengetragen:

SPD

SPD

Für Vielfalt und Intersektionalität – gegen Mehrfachdiskriminierung

Laut Wahlprogramm der SPD soll die Antidiskriminierungsstelle des Bundes weiter gestärkt und zivilgesellschaftliche Beratungsangebote ausgebaut werden. Zudem soll das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz modernisiert werden und ein Nationaler Aktionsplan Antidiskriminierung soll helfen, Diskriminierung in allen Lebensbereichen zu bekämpfen.

Institutionelle Mechanismen

Im Sinne des Gender Mainstreamings soll Gleichstellung zu einem Leitprinzip aller Ressorts der Bundesregierung gemacht werden. Zudem will die SPD eine Folgenabschätzung aller Maßnahmen, Gesetze sowie des Bundeshaushalts. Die ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie soll weiterentwickelt und auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Ein Paritätsgesetz soll bei Bundestagswahlen die paritätische Vertretung von Frauen und Männern bei Listen- und Direktmandaten sicherstellen. Auch in anderen Parlamenten im Land und an allen Kabinettstischen soll Parität erlangt werden.

Arbeitswelt Beruf und Familie

Im Allgemeinen fordert die SPD, Potenziale von Frauen in unfreiwilliger Teilzeit und Mini-Jobs zu heben. Sie will alle Beschäftigungsverhältnisse in die soziale Sicherung einbeziehen und Gewerkschaften unterstützen, sich für flexiblere Arbeitszeiten und Arbeitszeitverkürzungen einzusetzen. Für Selbstständige soll ein Konzept zum Mutterschutz entwickelt werden und für Rentner*innen soll die Anerkennung von Erziehungs- und Pflegezeiten gestärkt werden. Zudem plant die SPD, die Hinterbliebenenrenten zu verbessern, indem die Anrechnung von Einkommen angepasst wird.

Die SPD spricht sich für eine Familienstartzeit aus, die beide Partner*innen für zwei Wochen nach der Geburt eines Kindes bezahlt freistellt. Beim Elterngeld soll es einen Anspruch auf sechs nicht übertragbare Monate für jeden Elternteil geben, zusätzlich sechs freie Monate. Analog dazu plant die SPD eine Familienpflegezeit und Familienpflegegeld für pflegende Angehörige. Mit einem jährlichen Familienbudget für Alltagshelfer*innen sollen sozialversicherungspflichtige haushaltsnahe Dienstleistungen gefördert werden. Für bessere Kinderbetreuung soll eine Fachkräfteoffensive für Kitas und Schulen verbindlich zwischen allen Bundesländern vereinbart werden.

Das Ehegattensplitting will die SPD durch eine Überführung der Steuerklassen-Kombination III/V in das Faktorverfahren der Steuerklasse IV schnellstmöglich reformieren. Für Alleinerziehende soll der Entlastungsbetrag in einen Abzug von der Steuerschuld umgewandelt werden.

Die SPD setzt sich für gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit ein und fordert in diesem Zuge auch mehr Tarifbindung und eine Einbeziehung aller Beschäftigungsverhältnisse in die soziale Sicherung. Sie will die EU-Entgelttransparenzrichtlinie bis 2026 in nationales Recht umsetzen, und das Entgelttransparenzgesetz zu einem „wirksamen Lohngerechtigkeitsgesetz“ weiterentwickeln. Der Mindestlohn soll sich an mindestens 60 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland orientieren. Zudem soll das Verbandsklagerecht für Gewerkschaften eingeführt werden.

Außerdem sollen die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft durch die Förderung planbarer Karrierewege, insbesondere zur Verwirklichung von Gleichstellung, verbessert werden. Die SPD plant zudem eine deutlich transparentere und vereinfachte Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen und Qualifikationen.

Gewalt gegen Frauen* und Mädchen*

Die SPD spricht sich dafür aus, dass unerwünschte, erniedrigende Handlungen wie „Catcalling“ künftig strafrechtlich verfolgt und die strafrechtliche Position von Opfern sexualisierter Gewalt gestärkt werden. Maßnahmen wie elektronische Fußfesseln, verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings für Täter*innen und Aufenthaltsverbote sowie Hausarreste sollen eingesetzt werden und über ein Gewalthilfegesetz sollen Strukturen zur Vorbeugung ausgebaut und abgesichert werden.

Bundesweit soll es einen Rechtsanspruch auf Frauenhäuser und Beratungsstellen geben. Bei der Residenzpflicht und der Wohnsitzauflage soll es Erleichterungen geben und das eigenständige, vom Ehegatten unabhängige Aufenthaltsrecht soll „praxistauglicher“ ausgestaltet werden. Häusliche Gewalt und Partnerschaftsgewalt soll in Sorge- und Umgangsverfahren berücksichtigt und Menschenhandel sowie jede Art sexueller Ausbeutung konsequent bekämpft werden.

Es soll ein digitales Gewaltschutzkonzept erarbeitet, Regeln zur Bekämpfung von Hasskriminalität und Netzstraftaten aufgestellt, sowie die Zentralstelle für strafbare Inhalte im Internet beim BKA weiter ausgebaut werden. Präventiv wie repressiv will die SPD mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen Femizide vorgehen und gesetzliche Regelungen für Gewaltschutzkonzepte in Einrichtungen und Dienstleistungen der Behindertenhilfe verschärfen. Die Istanbul-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen soll vollständig umgesetzt und geschlechtsspezifische Gewalt EU-weit als Straftatbestand festgeschrieben werden.

Gesundheit

Die SPD will geschlechter- und diversitätssensible Forschung gezielt fördern, sowie Gesundheitsfachkräfte in geschlechts- und diversitätssensibler Versorgung und Kommunikation schulen. Zudem verspricht sie „effektive Lösungen“ für eine bessere Versorgung rund um die Geburt und Erkrankungen wie Endometriose.

Schwangerschaftsabbrüche sollen entkriminalisiert und außerhalb des Strafrechts geregelt werden – außer wenn sie gegen oder ohne den Willen der Schwangeren erfolgen. Schwangerschaftsabbrüche sollen zudem zu einem Teil der medizinischen Grundversorgung gemacht werden.

Internationale FrauenMenschenrechte

Die SPD möchte die Agenda 2030 und ihre Weiterentwicklung als “Richtschnur” für Zusammenarbeit mit globalen Partnern nutzen und eine EU-Charta der Frauenrechte verabschieden.

Sie bekennt sich zudem zu den Klimazielen für Deutschland und die EU. Sie möchte Treibhausgasemissionen durch den beschleunigten Ausbau Erneuerbarer Energien vermeiden und verspricht effizientes Energiemanagement, eine Dekarbonisierung der Industrie sowie eine umfassendere Kreislaufwirtschaft. Das Pariser Klimaabkommen soll umgesetzt und ein „fairer Anteil“ Deutschlands an der internationalen Klimafinanzierung verfolgt werden.

Hinsichtlich Lieferketten braucht es laut SPD konkrete Vereinbarungen zu internationalen Standards, die gute Arbeit mit existenzsichernden Löhnen speisen.

Die feministische Außen- und Entwicklungspolitik soll fortgeführt, die Zivilgesellschaft gestärkt und Menschenrechte, insbesondere Frauenrechte, gewahrt werden. Im Programm wird zudem betont, dass Frauenrechte für den politischen Übergang in Syrien von zentraler Bedeutung seien.

CDU/CSU

CDU/CSU

Für Vielfalt und Intersektionalität – gegen Mehrfachdiskriminierung

Bezüglich Mehrfachdiskriminierungen hat die Union im Wahlprogramm keine Maßnahmen in ihrem Wahlprogramm festgehalten.

Institutionelle Mechanismen

Die Union spricht sich gegen die Verwendung von Gendersprache im öffentlichen Raum aus. Weitere Maßnahmen werden nicht erwähnt.

Arbeitswelt Beruf und Familie

Im Allgemeinen fordert die Union bessere Rahmenbedingungen für Vollzeitarbeit oder vollzeitnahe Arbeit von Frauen. Darüber hinaus möchte sie die Vereinbarkeit von Selbstständigkeit und Familie sowie Pflege und Beruf verbessern. Hinsichtlich der Rente sehen sie keine Kürzungen vor, zudem sollen Hinzuverdienstgrenzen bei Witwen deutlich angehoben werden.

Die Union bekennt sich zum gesetzlichen Mindestlohn und der Mindestlohnkommission, die Lohnfindung soll Sache Sache der Sozialpartner bleiben.

Des Weiteren bekennt sich die Union zu Elterngeld sowie Elternzeit und möchte den Partnerschaftsbonus bei gleichzeitiger, vollzeitnaher Teilzeit beider Eltern weiterentwickeln. Das Ehegattensplitting soll erhalten bleiben. Zusätzlich soll die Betreuungssituation verbessert und Infrastruktur sowie Qualität der Kinderbetreuung gesteigert werden. Um haushaltsnahe Dienstleistungen zu stärken, plant die Union ihre steuerliche Absetzbarkeit zu verbessern. Alleinerziehende sollen einen erhöhten Entlastungsbetrag erhalten, zudem sieht die Union spezielle Integrationskurse für Familien sowie die Förderung von Müttern mit Zuwanderungsgeschichte vor.

Gewalt gegen Frauen* und Mädchen*

Hinsichtlich der Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen plant CDU/CSU das Strafrecht zu verschärfen, um u.a. Frauen besser zu schützen. Dabei sollen die Höchststrafe für Stalking erhöht und Gruppenvergewaltigungen härter bestraft werden. Auch die elektronische Fußfessel für Täter soll verstärkt zum Einsatz kommen. Frauenhäuser sollen gestärkt und das Sorge- und Umgangsrecht des gewalttätigen Elternteils bei Partnerschaftsgewalt ausgeschlossen werden.

Gesundheit

Geschlechtsspezifische Medizin soll stärker als bisher als eigenständiges Aufgabenfeld vorangetrieben und ein differenziertes und geschlechtergerechtes Vorgehen in Forschung und Versorgung sichergestellt werden. Zudem sollen Konzepte und Maßnahmen ausgebaut werden, welche Frauen in Gesundheitsbildung, -förderung und -versorgung besser erreichen.

Die Geburtshilfe soll „zukunftsfest“ gestaltet werden. Paragraf 218 StGB, welcher das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen regelt, soll bestehen bleiben.

Internationale FrauenMenschenrechte

Die Union plädiert für das Einhalten der Pariser Klimaziele, die Klimaneutralität bis 2045 sowie für die Emissionsreduktion und eine „Kohlenstoffkreislaufführung“.

CDU/CSU plant einen besseren und flexibleren Zugang zu Finanzierungsmitteln für die europäische Verteidigungsindustrie. Negative Bewertungen und Ausschlussbegründungen bei Finanzierungs- und Nachhaltigkeitsfragen sowie bei ESG-Kriterien sollen beseitigt werden.

Das Lieferkettengesetz soll abgeschafft werden. In Hinblick auf Entwicklungszusammenarbeit betont die Union, dass Benachteiligungen und Diskriminierungen Gift für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung sind. Im Iran sollen Menschenrechtsverteidiger und vor allem Frauen gezielt unterstützt werden.

Bündnis 90/Die Grünen

Bündnis 90/Die Grünen

Für Vielfalt und Intersektionalität – gegen Mehrfachdiskriminierung

Die Grünen fordern in ihrem Programm einen Nationalen Aktionsplan Antidiskriminierung sowie die Stärkung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Die Arbeit der Beauftragten für gesellschaftliche Vielfalt soll weiter gestärkt werden. Deutschland soll seinen Vorbehalt gegen die 5. Europäische Antidiskriminierungsrichtlinie aufgeben.

Außerdem möchten die Grünen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz reformieren indem z.B. der Anwendungsbereich ausgeweitet, ein Verbandsklagerecht eingeführt und Schutzlücken geschlossen werden. Zudem soll der Schutz vor der Diskriminierung durch staatliche Stellen geschaffen werden.

Der Nationale Aktionsplan „Queer leben“ soll verstetigt und queere Beratungs- und Projektstrukturen gestärkt werden. Struktureller Rassismus soll durch zielgerichtete Fortbildungsangebote bekämpft werden.

Institutionelle Mechanismen

Die Grünen wollen eine geschlechtergerechte Gleichstellungspolitik, die auch Männer adressiert und ihre Anliegen in den Blick nimmt. Sie positionieren sich für Frauenquoten in Aufsichtsräten und Vorständen von großen Unternehmen. Für die Wahl zum Bundestag soll ein Paritätsgesetz die paritätische Verteilung im Parlament sicherstellen. Auch Gender Budgeting in der Haushaltsführung wollen die Grünen einführen.

Arbeitswelt Beruf und Familie

Bündnis 90/Die Grünen wollen mehr Homeoffice und mobiles Arbeiten sowie flexiblere Arbeitszeitmodelle ermöglichen. Minijobs sollen schrittweise in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überführt werden, mit Ausnahmen für Rentner*innen, Schüler*innen und Studierende.

Selbstständige sollen die Wochen rund um die Geburt durch Mutterschaftsgeld finanziell abgesichert werden. Hierzu sollen sich künftig auch Selbstständige an der dafür vorgesehenen Umlagefinanzierung beteiligen.

Die Grundrente soll zu einer Garantierente nach 30 Versicherungsjahren weiterentwickelt werden.

Die Elternzeit soll so gestaltet werden, dass mindestens jeweils ein Drittel der Zeit von jedem Elternteil genutzt werden kann. Der Mindest- und Höchstbetrag soll auf 500 bzw. 2.400 Euro erhöht werden. Zusätzlich soll die Ersatzrate für geringe Einkommen angehoben werden. Die Grünen schlagen eine zweiwöchige Freistellung von Vätern und Co-Müttern nach Geburt des Kindes mit einer Lohnersatzleistung vor.

Das Ehegattensplitting soll geschlechtergerecht reformiert werden, indem für Neuehen eine individuelle Besteuerung mit übertragbarem Grundfreibetrag eingeführt wird.

Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern, sollen Beschäftigten mehr Zeitsouveränität und flexible Arbeitszeitmodelle ermöglicht werden . Die Grünen setzen sich für ein gutes und verlässliches Angebot an Betreuungsplätzen ein. Betreuungskosten sowie haushaltsnahe Dienstleistungen sollten umfangreicher von der Steuer absetzbar sein.

Wer Arbeitszeit für Pflege reduziert, soll einen zeitlich begrenzten Ausgleich der entgangenen Einkünfte erhalten. Tages- und Kurzzeitpflege sollen gestärkt und ausgebaut werden.

Für Alleinerziehende soll der bestehende Freibetrag zu einer Steuergutschrift ausgebaut und ihnen das Kindergeld nur noch zur Hälfte auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet werden.

Die Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen soll vereinfacht und eine zentrale Anerkennungsstelle geschaffen werden.

Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie soll zügig und vollständig umgesetzt und gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit ausgezahlt werden. Laut den Grünen braucht es einen Mindestlohn von zunächst 15 Euro im Jahr 2025, der auch für unter 18-Jährige gilt. Prinzipiell soll ein Mindestlohn von 60 Prozent des Medianlohns verankert werden.

Gewalt gegen Frauen* und Mädchen*

Die Grünen wollen prüfen, ob das geltende Sexualstrafrecht um eine Neuregelung in der Form der Zustimmungslösung ergänzt werden muss, um Straftaten besser verfolgen zu können.

Die Istanbul-Konvention soll konsequent umgesetzt werden, durch verstärkte Präventionsmaßnahmen, den Ausbau der Täterarbeit, konsequente Strafverfolgung und eine verbesserte Datenerhebung.

Durch eine Bundesbeteiligung sollen gemeinsam mit den Ländern kostenfreie Frauenhäuser, Beratungsstellen und Schutzwohnungen flächendeckend sichergestellt werden. Das muss auch einen Ausbau von Angeboten für Menschen mit Behinderung oder mit Sprachbarrieren beinhalten. Zusätzlich sollen alle Aufnahmeeinrichtungen verpflichtend Schutzkonzepte für geflüchtete Frauen und Mädchen entwickeln. Menschen mit Behinderung, insbesondere Frauen, sind häufiger von Gewalt betroffen als nicht behinderte Menschen. Die Grünen wollen, dass der Schutz vor Gewalt für alle Menschen gilt, daher soll der Gewaltschutz – insbesondere bei Angeboten für Menschen mit Behinderung – deutlich ausgebaut werden.

Frauen, deren Aufenthaltsstatus von ihrem gewalttätigen Partner abhängt, sollen einen eigenständigen Aufenthaltstitel erhalten.

Nach einer Trennung soll Partnerschaftsgewalt in Sorge- und Umgangsverfahren verpflichtend berücksichtigt werden. Dazu sollen Justiz sowie Polizei umfassend geschult werden.

Der ressortübergreifende Nationale Aktionsplan Menschenhandel soll umgesetzt und weiterentwickelt werden.

Ein digitales Gewaltschutzgesetz soll die Rechte der Nutzer*innen stärken. Bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen soll die Verbreitung von KI-generierten oder echten Nacktbildern gegen den Willen der Betroffenen grundsätzlich eine Straftat sein.

Opfer von Vergewaltigungen sollen flächendeckend qualifizierte medizinische Notfallversorgung – inklusive anonymer Spurensicherung und der „Pille danach“ erhalten.

Gesundheit

Forschung, Ausbildung und medizinische Praxis sollen geschlechtsspezifische Aspekte zur Verbesserung der Frauengesundheit zwingend berücksichtigen. Die Grünen setzen sich für eine diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung queerer Menschen ein. Im Gesundheitswesen sollen durch Quoten und bessere Arbeitsbedingungen mehr Frauen in die Führungsgremien geholt werden.

Die Grünen wollen den selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafrechts regeln. Die freiwillige Beratung soll durch ein abgesichertes Angebot garantiert werden. Eine verpflichtende Wartefrist zwischen Beratung und Abbruch wird abgelehnt. Die Kosten eines Abbruchs sollen von den Krankenkassen übernommen und telemedizinische Betreuung ausgebaut werden.

Ärztlich verordnete Verhütungsmittel sollen für Empfänger*innen von staatlichen Transferleistungen und Geringverdiener*innen unbürokratisch und kostenfrei zugänglich sein. Perspektivisch soll der kostenfreie und leichte Zugang zu Verhütungsmitteln für alle gelten.

Die Grünen setzen sich für eine flächendeckende Versorgung in der Geburtshilfe sowie bessere Arbeitsbedingungen, eine gerechte Bezahlung von Hebammen und den Ausbau Hebammengeleiteter Kreißsäle ein. Gewalt in der Geburtshilfe nehmen sie als Thema ernst.

Internationale FrauenMenschenrechte

Die Grünen wollen mit feministischer Außen- und Entwicklungspolitik die Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen, Mädchen und marginalisierten Gruppen weltweit stärken und Diskriminierungsformen, auch Mehrfachdiskriminierungen, abbauen. Sie wollen den Einsatz gegen sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt verstärken, Überlebende besser unterstützen, den Schutz von queeren Menschen vor Diskriminierung und Gewalt vorantreiben, Geschlechtergerechtigkeit in allen Projekten der internationalen Zusammenarbeit stärker verankern und mehr Mittel für Frauen- und Menschenrechtsorganisationen bereitstellen.  

Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklungspolitik soll verwirklicht und weiterentwickelt werden – mit einem feministischen und inklusiven Ansatz. Eine eigenständige Entwicklungspolitik soll strukturelle Ungerechtigkeiten abbauen und weltweit gleichberechtigte Partnerschaften gestalten. Deutschland und die EU sollen entsprechend der COP-Beschlüsse ihre Beiträge leisten. Die Grünen setzen sich für eine verbindliche Verankerung des Pariser Klimaabkommens und der zentralen Arbeitsschutzkonventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ein.

Bei jeder Entscheidung über Rüstungsexporte soll das humanitäre Völkerrecht beachtet werden, Abrüstungsinitiativen und Rüstungskontrollen sollen dazu vorangetrieben werden. Die Grünen wollen dafür sorgen, dass die Lieferkettenrichtlinie unbürokratisch in deutsches Recht übertragen wird.

FDP

FDP

Da das Wahlprogramm der FDP zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht final abgestimmt war, wurde für diese Analyse der Entwurf sowie ergänzende Beschlüsse des Bundesvorstands betrachtet.

Für Vielfalt und Intersektionalität – gegen Mehrfachdiskriminierung

Die FDP möchte den Nationalen Aktionsplan „Queer leben“ umsetzen und Diskriminierung gegenüber LSBTI bekämpfen. Darüber hinaus soll die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld besser finanziell ausgestattet und Artikel 3 des Grundgesetzes um das Merkmal „sexuelle Identität“ ergänzt werden.

Institutionelle Mechanismen

Die FDP schreibt in ihrem Programm von Chancengleichheit für Frauen und Männer im politischen Betrieb. Durch Selbstverpflichtungen und verbesserte Rahmenbedingungen soll Parität erreicht werden. Quoten und Paritätsgesetze lehnt sie ab.

Die Zahl der Beauftragten der Bundesregierung soll reduziert und dauerhaft auf niedrigem Niveau gehalten werden.

Die FDP setzt sich für die Anwendung des EU-Rechtsstaatsmechanismus ein und dafür, dass die VN-Frauenrechtskonvention (CEDAW) sowie die Istanbul-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen von den Vertragsstaaten konsequent umgesetzt werden.

Arbeitswelt Beruf und Familie

Die FDP möchte das Arbeitszeitgesetz reformieren, um flexible Arbeitszeiten und Teilzeit zu ermöglichen, was Frauen sowie Männern erlauben soll, Beruf und Familie besser zu vereinen. Der Mutterschutz soll modernisiert und ein freiwilliger, flexibler Mutterschutz für Selbständige eingeführt werden.

Die FDP will Altersarmut bei Frauen bekämpfen, indem Paare bei Erwerbsunterbrechungen aufgrund von Care-Arbeit standardisiert die Möglichkeit des Rentenpunktesplittings nutzen können. Politische Eingriffe in die Arbeit der unabhängigen Mindestlohnkommission lehnt sie ab.

Das Elterngeld (14 Monate) soll voll ausgezahlt werden, wenn beide Elternteile je mindestens vier Elterngeldmonate in Anspruch nehmen. Die restlichen Monate sollen Eltern frei unter sich aufteilen können. Außerdem fordert die FDP einen gestaffelten Mutterschutz für Frauen, die eine Fehlgeburt vor der 24. Schwangerschaftswoche erlitten haben.

Die FDP will die Steuerklassen 3 und 5 abschaffen, um Frauen ökonomisch zu stärken.

Sie setzt sich zudem für eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Pflege ein. Hierzu will sie den Ausbau einer flächendeckenden, ganztägigen Kinderbetreuung priorisieren und den Ausbau von Betriebskitas stärker fördern und bürokratische Hürden dafür abbauen. Das Wechselmodell soll als „gesetzliches Leitbild“ bei der Betreuung minderjähriger Kinder nach einer Trennung der Eltern eingeführt werden. Entlastung von Familien und Alleinerziehenden soll durch eine steuerliche Absetzbarkeit von Betreuungskosten und gesetzlichen Unterhaltsleistungen gewährleistet, die Kurz- und Tagespflege für pflegebedürftige Menschen soll ausgebaut werden.

Für Arbeitgeber*innen soll es Unterstützung geben, den eigenen Gender Pay Gap zu berechnen und wirksame Angleichungsmaßnahmen umzusetzen.

Gewalt gegen Frauen* und Mädchen*

Die FDP fordert eine umfassende und wirksame Umsetzung der Istanbul-Konvention und eine bedarfsgerechte Finanzierung von Frauenhausplätzen durch Länder und Kommunen. Eine Online-Plattform soll freie Frauenhausplätze in Echtzeit anzeigen. Zudem sollen Bund und Länder bei der Strafverfolgung intensiver zusammenarbeiten und Betroffene anzeigeunabhängig, kostenlos und anonym die Spurensicherung ermöglicht werden.

Organisierte Kriminalität im Bereich des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung will die FDP bekämpfen.

Digitale Prävention soll verstärkt, Gewaltschutzambulanzen ausgebaut und Kosten für Behandlungen nach Vergewaltigungen übernommen werden.

Gesundheit

Die FDP fordert die Sicherstellung geschlechtsspezifischer Versorgung durch einen geschlechtersensiblen Forschungsansatz. Zudem sollen Endometriose, PCOS, Lipödem, Brustkrebs und geschlechtsspezifische Unterschiede bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen intensiver erforscht werden. Unterschiede in der Versorgung sollen in der Aus- und Weiterbildung von Ärzt*innen, Pflegekräften und Heilberufen vorangetrieben werden. Sie setzen sich weiterhin dafür ein, dass bestehende geschlechtsspezifische Unterschiede sich durch den Einsatz von digitalen Anwendungen, bspw. von Künstlicher Intelligenz, reproduzieren.

Die FDP setzt sich für Verbesserungen in der Versorgung von Frauen vor, während und nach der Geburt ein. Gewalt in der Geburtshilfe möchte die FDP bekämpfen. Für Hebammen werden bessere Arbeitsbedingungen, ein verbesserter Betreuungsschlüssel und Bürokratieentlastung gefordert.

Für ungewollt Schwangere soll die „absolut unzureichende“ Versorgungslage verbessert werden. Schwangerschaftsabbrüche sollen in die Ausbildung von Gynäkolog*innen integriert werden. Die Kostenübernahme eines Abbruchs soll für alle Frauen ermöglicht werden. Möglichkeiten medikamentöser Abbruchmethoden sollen besser verfügbar gemacht und durch medizinisches Personal begleitet werden können. Eine Reform der Regelung zu Schwangerschaftsabbrüchen (§§ 218, 218a StGB) soll durch fraktionsübergreifende Gruppenanträge mit Gewissensfreiheit für jede*n Abgeordnete*n beraten werden. 

Internationale FrauenMenschenrechte

Die FDP plant, einen einheitlichen europäischen Emissionshandel als Leitinstrument der Klimapolitik zu etablieren, um die europäischen Klimaziele einzuhalten. Das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 im deutschen Klimaschutzgesetz soll durch das europäische Ziel der Klimaneutralität bis 2050 ersetzt werden.    

Das deutsche Lieferkettengesetz soll abgeschafft und die europäische Regulierung so spät und schlank wie möglich umgesetzt werden, aber auch hier wird eine vollständige Abschaffung unterstützt.

Die FDP bekennt sich zur Universalität der Menschenrechte und fordert eine konsequentere Ahndung bei Menschenrechtsverletzungen, Unterdrückung und Diskriminierung. Weltweit setzt sie sich für den Schutz und die Stärkung von Frauenrechten ein – im Kampf gegen Zwangsheirat und Genitalverstümmelung sowie einer besseren Ahndung von sexualisierter Gewalt in Kriegen. In Friedensverhandlungen und Konfliktlösungen sollten Frauen systematischer einbezogen werden. Weiterhin soll die UN-Resolution 1325 konsequent umgesetzt werden.

Rüstungsexporte sind aus Sicht der FDP ein legitimes Mittel der Außen- und Sicherheitspolitik.

Die Linke

Die Linke

Für Vielfalt und Intersektionalität – gegen Mehrfachdiskriminierung

Die Linke fordert in ihrem Programm ein bundesweites Antidiskriminierungsgesetz. Zudem soll Barrierefreiheit umfassend hergestellt und auch die Privatwirtschaft dazu verpflichtet werden. Dafür sollen verbindliche Regelungen in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und in das Behindertengleichstellungsgesetz aufgenommen werden. Mit einer Reform des AGG sollen Klagefristen verlängert, ein Verbandsklagerecht eingeführt sowie die Diskriminierungsformen „Staatsangehörigkeit“, „Aufenthaltsstatus“, „familiärer Status“ und „sozialer Status“ aufgenommen werden. Staatliches Handeln soll ebenso einbezogen werden.

Artikel 3 des Grundgesetzes soll um die Merkmale Alter, sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität ergänzt werden.

Die Linke stellt sich gegen jegliche Form von Antisemitismus, Antifeminismus und Rassismus. Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja soll wirksam bekämpft werden, wofür unter anderem auf Bundesebene ein*e Beauftragte*r für Antiziganismus eingeführt werden soll.

Zudem fordert die Linke einen ausfinanzierten Nationalen Aktionsplan „Queer leben“ sowie eine umfassende Gesundheitsversorgung queerer Menschen.

Bildung und Arbeitswelt sollen inklusiv gemacht werden, Inklusionsbetriebe sollen besser gefördert und ein Mindestlohn nach der europäischen Mindestlohnrichtlinie für Werkstätten gestaltet werden.

Institutionelle Mechanismen

Die Linke will alle neuen Gesetze auf ihre Auswirkungen auf Geschlechtergerechtigkeit hin untersuchen. Zudem soll die Bundesregierung eine ressortübergreifende und langfristig angelegte Gleichstellungsstrategie verabschieden. Im Wahlrecht soll verankert werden, dass 50 Prozent der Listenplätze und Mandate bei öffentlichen Wahlen auf Frauen entfallen müssen, um politische Parität sicherzustellen.

Arbeitswelt Beruf und Familie

Die Linke will sich für geringere Wochenarbeitszeiten (32 Stunden, 4 Tage-Woche) bei vollem Lohnausgleich und einen Ausbau flexibler Betreuungsangebote sowie Homeoffice-Optionen einsetzen. Volle Sozialversicherung soll es in jedem Arbeitsverhältnis geben statt Minijobs, Midijobs und Ausnahmen für ausländische Saisonbeschäftigte.

Weiterhin fordert die Linke einen sofortigen Mindestlohn von 15 Euro, der bis 2026 auf 16 Euro erhöht werden soll. Prinzipiell soll der gesetzliche Mindestlohns mindestens 60 Prozent des Medianlohns entsprechen. Zudem will sie das Entgelttransparenzgesetz zu einem Entgeltgleichheitsgesetz reformieren.

Der Kündigungsschutz für Eltern soll bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr des Kindes ausgeweitet werden. Der Mindestbetrag vom Elterngeld soll bei 420 Euro liegen und an die Entwicklung des allgemeinen Verbraucherpreisindex gekoppelt werden. Es soll nicht mehr auf das Bürgergeld oder Asylbewerberleistungen angerechnet werden. Zudem stehen 28 Tage Elternschutz nach der Geburt für den zweiten Elternteil in ihrem Programm. Selbstständige Schwangere sollen eine faire finanzielle Absicherung bekommen und der Mutterschutz sowie Mutterschutzleistungen müssen gesetzlich verankert werden. Für Pflegezeiten soll es eine sechswöchige Lohnfortzahlung geben.

Die Linke will in Kinderganztagsbetreuung investieren, um den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz umzusetzen. Hier sollen die Kompetenzen der Kitas gestärkt, ein besser Betreuungsschlüssel hergestellt und die Kitas gebührenfrei gemacht werden.

Das Ehegattensplitting soll durch eine Individualbesteuerung ersetzt werden, wobei nicht ausgeschöpftes steuerliches Existenzminimum zwischen Eheleuten und Lebenspartner*innen übertragbar sein soll.

Sie plädiert für eine solidarische Mindestrente für diejenigen, die keine auskömmliche Rente bekommen. Sie sollen einen Zuschlag bis zur Höhe der Armutsrisikogrenze bekommen. Alle Menschen mit Erwerbseinkommen sollen einzahlen und das Rentenniveau auf 53 Prozent angehoben werden.  

Alle Geflüchteten, darunter insbesondere Frauen mit Migrationshintergrund, sollen eine unbürokratische Anerkennung von Abschlüssen und einen vereinfachten Zugang zum Studium erhalten.

Geschlechterspezifische Ungleichgewichte auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt sollen zudem durch geschlechtersensible Bildung und die Aufwertung schlecht bezahlter Berufe mit hohem Frauenanteil überwunden werden. Ein Professorinnenprogramm soll zum Programm für die Förderung von Frauen auf allen Karrierestufen weiterentwickelt werden.

Gewalt gegen Frauen* und Mädchen*

Die Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt soll in Deutschland vollständig umgesetzt werden, die Koordinierungsstelle zur Konvention die Arbeit aufnehmen und die Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen umgesetzt werden.

Frauenhäuser sollen bedarfsgerecht, einzelfallunabhängig und verlässlich finanziert werden. Schutz und Beratung sollen für alle Frauen und ihre Kinder überall pauschal, kostenfrei, barrierefrei und anonym zur Verfügung stehen. Schutz vor Gewalt gegen Frauen und Kinder hat laut Programm Vorrang vor der Regelung des Umgangs im Trennungsfall.

Der Grundsatz „nur Ja heißt Ja“ soll gesetzlich verankert werden. Zudem soll es ein gezieltes Vorgehen gegen Netzwerke sexualisierter Gewalt geben.

Der Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt soll als Querschnittsaufgabe verstanden werden, die in allen politischen Gestaltungsbereichen mitgedacht und -berücksichtigt wird. In der Praxis muss Verfolgung wegen sexueller Orientierung oder von trans* oder intergeschlechtlichen Menschen als Fluchtgrund anerkannt werden. Geflüchtete sollen bundesweit dezentral und in Wohnungen untergebracht werden.

Das Arbeitsschutzgesetz will die Linke um die Aspekte „Gewalt“ und „sexuelle Belästigung“ ergänzen.

Gesundheit

Es bedarf laut der Linken mehr Selbstbestimmung bei der Geburt und flächendeckend guter Versorgung in der Geburtsmedizin und Geburtshilfe.

Paragraf 218 StGB soll ersatzlos gestrichen werden. Beratungsangebote sollen freiwillig sein und der Schwangerschaftsabbruch zur gesundheitlichen Versorgung gehören. Sämtliche Verhütungsmethoden sollen von der Krankenkasse bezahlt werden.

Die Linke setzt sich für eine umfassende Gesundheitsversorgung queerer Menschen ein. Diese soll besonders für trans*Personen gesetzlich garantiert und von den Krankenkassen übernommen werden.

Internationale FrauenMenschenrechte

Die Linke will die nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) als Maßstab für nachhaltige Entwicklung umsetzen. Sie fordert zudem ein einklagbares ökologisches Menschenrecht. Die finanzielle Unterstützung beim Klimaschutz von Ländern des Globalen Südens soll massiv erhöht und die Vereinten Nationen gestärkt und reformiert werden.

Das Lieferkettengesetz soll gestärkt werden. Vereinbarungen und Regelungen zu Menschenrechten, zum Arbeits- und Gesundheitsschutz, zu Umwelt- und Klimaschutzstandards und zur Bekämpfung von Kinderarbeit sollen gestärkt und ausgebaut werden.

Als zentrale Leitlinien der entwicklungspolitischen Maßnahmen sollen die Einhaltung von Menschenrechten sowie der Schutz von Frauen, Kindern, Jugendlichen und LSBTIQ+ gelten.

Die Linke will Rüstungsexporte vollständig verbieten. Eine weitere Aufrüstung der EU und die Militarisierung europäischer Grenzen will sie stoppen. Sie vertritt eine Außenpolitik, die nach friedlichen, zivilen Lösungen sucht und die Menschenrechte wahrt.

BSW

BSW

Für Vielfalt und Intersektionalität – gegen Mehrfachdiskriminierung

Das BSW fordert im Wahlprogramm die Abschaffung von Meldestellen und deren Finanzierung mit Steuergeldern. Es setzt sich für eine konsequente Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Bund und in den Ländern ein.

Institutionelle Mechanismen

Konkrete Vorhaben hinsichtlich Gleichstellungsmechanismen in Institutionen hat das BSW nicht im Wahlprogramm.

Arbeitswelt Beruf und Familie

Alle Erwerbstätigen und ihre Arbeitseinkommen und damit auch Selbstständige und Mini-Jobber*innen sollen in die Sozialversicherung einbezogen werden. Der Mindestlohn soll 15 Euro und zukünftig 60 Prozent des Medianeinkommens betragen – dauerhaft muss er armutsfest sein. Es soll eine Mindestrente von 1.500 Euro nach 40 Versicherungsjahren geben.

Das BSW will die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern. Hierfür möchten sie flächendeckend Kinderkrippen und Kindergartenplätzen mit hochwertiger Kinderbetreuung bereitstellen und Ganztagsschulen und Hort-/Hausaufgabenbetreuung ausbauen. Auch in den Ferien muss eine verlässliche, kostenfreie und qualitativ hochwertige Ferienbetreuung angeboten werden. Sie fordern die Stabilität bzw. Senkung von Kitabeiträgen und mittelfristig Beitragsfreiheit sowie eine Aufwertung von Sozial- und Erzieher*innenberufen.

Das Pflegegeld soll deutlich erhöht werden und Eigenanteile für Pflegeheimbewohner*innen sinken.

Gewalt gegen Frauen* und Mädchen*

Das BSW möchte Gewaltschutz- und Hilfesysteme ausbauen, die Zahl an Schutzwohnungen und Frauenhausplätzen signifikant erhöhen und die Finanzierung von Frauenhäusern durch den Bund sichern, wobei die Inanspruchnahme grundsätzlich kostenfrei sein soll.

Weiterhin ist es dem BSW ein Anliegen, Gewalt gegen Frauen und Mädchen präventiv zu verhindern. Hierzu braucht es bundesweit vergleichbare Ansätze, Informationen und Sensibilisierung zum Gewaltschutz als festen Bestandteil des Bildungscurriculums. Angebote im Bereich Täterarbeit und Anti-Aggressionstrainings sollen ausgebaut werden.

Gesundheit

Das BSW fordert, dass Geburtskliniken und Hebammen-geführte Kreißsäle wohnortnah erreichbar sein sollen. Die freie, selbstbestimmte Entscheidung über den eigenen Körper muss laut BSW garantiert sein und damit einhergehend die grundsätzliche Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur 12. Woche. Verschreibungspflichtige Verhütungsmittel sollen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden.

Internationale Frauenmenschenrechte

Die Lösung von Konflikten mit militärischen Mitteln lehnt das BSW grundsätzlich ab. Sie setzen sich für Abrüstung und umfassende Rüstungskontrollen ein und fordern ein Verbot von Rüstungsexporten in Kriegsgebiete. In Hinblick auf Klimaschutz spricht die Partei von einer “Abkehr vom Wunschdenken einer schnell erreichbaren völligen Klimaneutralität”. Das Lieferkettengesetz will sie reformieren und die dort verankerte Nachhaltigkeitsberichterstattung sofort aussetzen.

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Das war 2024 – Unser Jahr im Überblick

Das war 2024 – Unser Jahr im Überblick

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Das Jahr 2024 war ein ereignisreiches – sowohl politisch als auch für die CEDAW-Allianz Deutschland. Mit einer großen Dialogveranstaltung, vielseitigen Workshops und seiner Jubiläumskampagne zum 45. Jahrestag der UN-Frauenrechtskonvention konnte das Netzwerk wichtige Impulse für die Umsetzung von Frauenrechten in Deutschland setzen.

Die Allianz wächst weiter: Das 35. Mitglied verstärkt das Netzwerk

Seit ihrer Gründung im Jahr 2015 setzen sich die Mitgliedsorganisationen der CEDAW-Allianz gemeinsam für die Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention CEDAW in Deutschland ein. Auch dieses Jahr konnte das Netzwerk weiter wachsen: Beim ersten Arbeitsplenum 2024 wurde One Billion Rising München e.V. als 35. Mitglied aufgenommen.

Neben der Erweiterung des Netzwerks konnte auch die Reichweite auf den Social-Media-Plattformen Instagram und LinkedIn erhöht werden. Über diese Kanäle wurden diverse Zielgruppen mit informativen Beiträgen zur UN-Frauenrechtskonvention, sowie weiteren gleichstellungspolitischen Themen erreicht.

CEDAW-Jubiläum: 45 Jahre UN-Frauenrechtskonvention

Das Jahr 2024 stand zudem im Zeichen des 45. Jubiläums der Frauenrechtskonvention, die am 18. Dezember 1979 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurde. Deutschland ratifizierte die Konvention 1985 und führte sie damit in innerdeutsches Recht ein.

Zur Feier dieses Jubiläums startete die CEDAW-Allianz am 17. September eine Social-Media-Kampagne unter dem Motto: „Frauenrechte sind Menschenrechte – #keineVerhandlungssache!“. Zum Auftakt wurde ein Erklärvideo veröffentlicht, das die Inhalte und Funktionsweise der UN-Frauenrechtskonvention sowie das Staatenberichtsverfahren und die Rolle der Zivilgesellschaft erläutert. Um die Kampagne weiter zu verbreiten, kooperierte die Allianz mit feministischen Influencer*innen, die in Zitatkacheln und Reels ihre Perspektiven teilten. Ergänzt wurde die Kampagne durch regelmäßige Video-Statements und Zitate von Mitgliedern der CEDAW-Allianz.

Bild zeigt einen Screenshot des Kampagnenvideos, daneben Kommentare von Unterstützer innen.

Jubiläumsveranstaltung in der Landesvertretung Baden-Württemberg

Als Höhepunkt der Kampagne fand am 7. Oktober 2024 die Jubiläumsveranstaltung in der Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin statt. Über 200 Teilnehmende kamen zusammen, um das Jubiläum zu feiern und die Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention in Deutschland zu diskutieren. Bundesfrauenministerin Lisa Paus, die Vorstandsvorsitzende des Deutschen Frauenrats, Dr. Beate von Miquel, und Staatssekretärin aus Baden-Württemberg, Dr. Ute Leidig, eröffneten die Veranstaltung mit Redebeiträgen. Im Anschluss hielt Prof. Dr. Ulrike Lembke eine Keynote, die die Veranstaltung inhaltlich einleitete. Expertinnen aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft diskutierten in vier Panels den aktuellen Stand der Umsetzung von CEDAW und identifizierten Handlungsfelder für die Zukunft.

Arbeitsplenum und gemeinsame Positionierung gegen Rechts

Am 8. Oktober 2024 trafen sich die Mitglieder der CEDAW-Allianz dann zum Arbeitsplenum in den Räumlichkeiten der Bundesstiftung Gleichstellung. Im Fokus stand ein Workshop zur strategischen Ausrichtung der Allianz. Außerdem wurde eine gemeinsame Stellungnahme zu Rechtspopulismus und Rechtsextremismus verabschiedet. Darin betont die CEDAW-Allianz: Rechtspopulistische und -extremistische Bewegungen und Antifeminismus bedrohen Frauenrechte. Sie fordert, dem Druck rechter Agitation nicht nachzugeben und Frauenrechte und Demokratie weiter zu fördern.

Workshops zu Gewalt gegen Frauen* und Gesundheit

Am 21. November 2024, kurz vor dem Internationalen Tag zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen*, veranstaltete die CEDAW-Allianz gemeinsam mit der Vernetzungsstelle für Gleichberechtigung e. V. Niedersachsen einen Workshop für kommunale Gleichstellungsbeauftragte. Im Zentrum stand die Frage, wie die UN-Frauenrechtskonvention für den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt genutzt werden kann.

Am 3. Dezember 2024 richtete die Allianz zudem zusammen mit Mother Hood e.V. einen Workshop zu Diskriminierungsschutz im Gesundheitssektor aus. Teilnehmende aus Zivilgesellschaft und Politik setzten sich intensiv mit den Vorgaben und Verpflichtungen der UN-Frauenrechtskonvention im Gesundheitsbereich auseinander.

Beide Workshops stießen auf großes Interesse. Sie boten den Teilnehmenden nicht nur fundiertes Wissen zu CEDAW und ihrer Umsetzung, sondern auch die Möglichkeit zum Austausch und zur Vernetzung. Im kommenden Jahr sind zwei weitere Workshops zu den Themen Teilhabe und Gleichberechtigung in Politik und Arbeitswelt geplant.

Die CEDAW-Allianz Deutschland blickt zurück auf ein erfolgreiches und ereignisreiches Jahr und wird ihre Arbeit auch 2025 entschlossen fortsetzen, um Gleichstellung in Deutschland weiter voranzubringen.

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Zweiter Workshop zur UN-Frauenrechtskonvention – Schutz vor Diskriminierung im Gesundheitsbereich

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Am 3.12.2024 richtete die CEDAW-Allianz Deutschland in Kooperation mit dem Allianz-Mitglied Mother Hood e.V. ihren zweiten Workshop für CEDAW-Interessierte aus. Die Teilnehmenden aus Zivilgesellschaft und Politik erfuhren mehr über die UN-Frauenrechtskonvention und ihre Verpflichtungen und Vorgaben für Diskriminierungsschutz im Gesundheitssektor.

Über zwanzig Teilnehmende tauschten sich für drei Stunden angeregt über Diskriminierung im Gesundheitsbereich aus. Schnell wurde deutlich: Diese ist fast allgegenwärtig. Jennifer Moosheimer, die als Referentin von Mother Hood e.V. durch den Workshop führte, betonte die Rechtsverbindlichkeit der Frauenrechtskonvention in Deutschland und erläuterte, dass sich diese durch einen korrigierenden Ansatz für Gleichberechtigung auszeichne, der auch unbeabsichtigte Diskriminierung umfasst und tatsächliche Gleichheit im Resultat herstellen soll. Auch im Gesundheitsbereich verbietet CEDAW geschlechtsspezifische Diskriminierung.

Artikel 12 verpflichtet die Vertragsstaaten zu:

„geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau im Bereich des Gesundheitswesens, um der Frau gleichberechtigt mit dem Mann Zugang zu den Gesundheitsdiensten, einschließlich derjenigen im Zusammenhang mit der Familienplanung, zu gewährleisten.“

Dies schließt explizit reproduktive Gesundheit mit ein, und dazu gehört ebenfalls die Versorgung während Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit. Dennoch waren sich alle einig: Gewalt und fehlende Selbstbestimmung in der Geburtshilfe sind in Deutschland genauso ein Problem wie mangelnde gynäkologische und reproduktive Versorgung, insbesondere von Frauen* in ländlichen Gebieten und Frauen* mit Behinderungen.

Ursachen dafür seien neben dem Fachkräftemangel auch fehlendes Wissen über die spezifischen Frauenrechte im Gesundheitsbereich – sowohl beim medizinischen Personal als auch bei den Frauen* selbst. Betont wurde zudem, dass das Gesundheitssystem zu sehr auf Profit ausgelegt sei, um eine qualitativ gute und diskriminierungsfreie Versorgung gewährleisten zu können.

Auch mögliche Lösungsstrategien für diese Herausforderungen wurden besprochen: Um die UN-Frauenrechtskonvention konsequent im Gesundheitsbereich umzusetzen, bräuchte es mehr und verpflichtende Weiterbildungen zu geschlechtsspezifischer Diskriminierung und Gewalt sowie mehr politische und finanzielle Unterstützung von ehrenamtlichen Netzwerken und Strukturen von Betroffenen. Vernetzung als Grundvoraussetzung für gemeinsames politisches Handeln war den Teilnehmenden hierbei ein besonders großes Anliegen.

Umso erfreulicher, dass bereits erste Kontakte während des Online-Austausches geknüpft werden konnten. Im kommenden Jahr wird die CEDAW-Allianz Deutschland zwei weitere Workshops mit den Schwerpunkten Teilhabe und Gleichberechtigung in Politik und Arbeitswelt ausrichten.

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Die UN-Frauenrechtskonvention für den Schutz vor Gewalt nutzbar machen

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Workshop mit Gleichstellungs­beauftragten aus ganz Deutschland

Am 21.11.24 – vier Tage vor dem Internationalen Tag zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen – richtete die CEDAW-Allianz Deutschland in Kooperation mit der Vernetzungsstelle für Gleichberechtigung e.V. Niedersachsen einen Workshop für kommunale Gleichstellungsbeauftragte aus. Zentrales Thema war die UN-Frauenrechtskonvention CEDAW und wie sie für den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt eingesetzt werden kann.

Über 40 kommunale Gleichstellungsbeauftragte hatten sich angemeldet, um sich über die Frauenrechtskonvention zu informieren und über ihren Nutzen für die gemeinsame Arbeit auszutauschen. Rabia Kuru, die bei der Vernetzungsstelle das Projekt „CEDAW in Niedersachsen“ koordiniert, begann mit einem Impuls zur Frauenrechtskonvention. Schnell wurde deutlich: Diese ist ein sehr weitreichendes Instrument zum Schutz vor Diskriminierung – sie gilt in allen Lebensbereichen und erfordert von den Vertragsstaaten umfassende, intersektionale Maßnahmen für die Herstellung einer de facto Gleichstellung.

Im Anschluss erläuterte Annette Wiede von der Vernetzungsstelle für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte die Relevanz für CEDAW im Bereich Gewaltschutz. Zwar gibt es im Konventionstext keine Verpflichtungen eigens zur Prävention von und dem Schutz vor Gewalt, doch hat der CEDAW-Ausschuss der Vereinten Nationen sehr früh klargestellt, dass Gewalt gegen Frauen* eine geschlechtsspezifische Diskriminierung darstellt und die Vertragsstaaten Maßnahmen ergreifen müssen, diese zu verhindern. Seitdem ist das Thema im Staatenberichtsverfahren immer wieder thematisiert worden. Insbesondere für fehlenden Schutz von Frauen* mit Behinderungen und die unzureichende Anzahl an Frauenhausplätzen wird die Bundesregierung seit Jahren kritisiert.

Beim anschließenden Austausch wurde schnell deutlich, dass eine mangelnde Beachtung völkerrechtlicher Verpflichtungen wie der UN-Frauenrechtskonvention oder auch der Istanbul-Konvention des Europarats in der Justiz eine große Herausforderung darstellt. Insbesondere in Sorge- oder Familienrechtsverfahren wird – entgegen menschenrechtlichen Verpflichtungen – der Gewaltschutz betroffener Frauen* regelmäßig missachtet. Zu diesem Ergebnis kam zuletzt auch eine Studie des Soziologen Dr. Wolfgang Hammer, die untersucht hat, wie vorurteilsgeleitete Grundannahme gegenüber Müttern und systematische Täter-Opfer-Umkehr Kinder und Mütter regelmäßig gefährden.

Auch die Frage intersektionaler Gleichstellungsarbeit beschäftigte die Teilnehmenden, da diese in vielen Kommunen noch zu wenig stattfindet und mehrfache Diskriminierungserfahrungen zu wenig Beachtung finden. Auch hierfür stellt die Frauenrechtskonvention ein wichtiges Rahmenwerk dar, da sie an vielen Stellen deutlich macht: Frauenrechte gelten für ALLE Frauen*.

Die Teilnehmenden zeigten sich äußerst interessiert an CEDAW und betonten in einer abschließenden Feedback-Runde, wie wichtig solche Räume für Vernetzung und Austausch sind.

In der kommenden Woche, am 3.12.24, wird ein zweiter Workshop zur UN-Frauenrechtskonvention mit dem Schwerpunkt Gesundheitsversorgung stattfinden. Anmeldungen sind noch bis zum 2.12.24 unter kontakt@cedaw-allianz.de möglich.

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„Rechtspopulismus- und extremismus bedrohen Frauenrechte“ – Arbeitsplenum der CEDAW-Allianz Deutschland

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Am 8. Oktober 2024 kamen die Mitglieder der CEDAW-Allianz zum zweiten Mal in diesem Jahr zusammen. Das Arbeitsplenum fand in den Räumlichkeiten der Bundesstiftung Gleichstellung in Berlin statt.

Im Zentrum des Treffens stand dieses Mal die zukünftige gemeinsame Arbeit: Welche Schwerpunkte soll die CEDAW-Allianz in ihrer Arbeit für die nächsten Jahre setzen? Welche Themen beschäftigen die Mitglieder derzeit besonders und welche Perspektiven auf die Gleichstellungspolitik fehlen noch im Netzwerk? Mit diesen Fragen beschäftigten sich die Mitglieder der Allianz in Kleingruppen, um sie anschließend in großer Runde zu diskutieren.

Einstimmig beschlossen wurde, dass die Mitglieder gemeinsam die Umsetzung ihrer Forderungen und der Empfehlungen des UN-CEDAW-Ausschusses dokumentieren werden. Einige der vorgeschlagenen Maßnahmen wurden von der Bundesregierung bereits umgesetzt (etwa die Streichung von §219a StGB oder das Verbot von Gehsteigbelästigung), doch vieles steht noch aus, um die UN-Frauenrechtskonvention konsequent und vollumfänglich umzusetzen. Die CEDAW-Allianz wird die Fortschritte in Zukunft systematisch dokumentieren und bewerten, um ggf. weitere Forderungen abzuleiten.

Auch eine gemeinsame Stellungnahme zu Rechtspopulismus und -extremismus wurde einstimmig verabschiedet. Dort heißt es:

„Die in fast allen Parlamenten vertretenen Abgeordneten rechtsextremer und rechtspopulistischer Parteien stehen für frauenfeindliche Positionen […] Antifeminismus ist dabei häufig mit der Abwertung und Diskriminierung von LGBTIQ* sowie mit anderen Ideologien der Ungleichwertigkeit wie Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit oder Klassismus verbunden. Diesen politischen Entwicklungen müssen Bundesregierung und Landesregierungen mit einer kohärenten Gleichstellungs- und Antidiskriminierungspolitik aktiv entgegensteuern. Die CEDAW-Allianz Deutschland fordert eindringlich, dem Druck rechtsextremer Agitation nicht nachzugeben, sondern die Förderung von Demokratieprojekten und zivilgesellschaftlichem Engagement für Frauenrechte sowie die Gleichstellung der Geschlechter auch zukünftig sicherzustellen.“

Das Arbeitsplenum der CEDAW-Allianz findet zwei- bis dreimal jährlich statt. Es ist der Ort, an dem die Delegierten der Mitgliedsorganisationen zum Austausch zusammenkommen, um über die gemeinsame Arbeit zu sprechen und Beschlüsse zu fassen.

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45 Jahre CEDAW – Frauenrechte sind Menschenrechte, keine Verhandlungs­sache!

45 Jahre CEDAW – Frauenrechte sind Menschenrechte, keine Verhandlungs­sache!

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Unter diesem Motto kamen am 7. Oktober 2024 über 200 Menschen zusammen, um das 45-jährige Jubiläum der Verabschiedung der UN-Frauenrechtskonvention CEDAW zu feiern und sich über den Stand der Umsetzung in Deutschland auszutauschen.

Die von der CEDAW-Allianz Deutschland organisierte Fachveranstaltung fand in den Räumlichkeiten der Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin statt und wurde per Live-Stream übertragen. Das Sozialministerium des Landes Baden-Württemberg, das dieses Jahr auch den Vorsitz der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenminister*innen der Länder innehat, war durch Staatssekretärin Dr. Ute Leidig und Abteilungsleiterin Dr. Simone Höckele-Häfner vertreten.

Dr. Beate von Miquel, Vorstandsvorsitzende des Deutschen Frauenrats, begrüßte die Teilnehmenden im Namen der Trägerorganisation und fand deutliche Worte des Gedenkens und der Solidarität mit den Betroffenen des menschen- und frauenverachtenden Terroranschlags auf Israel, der sich an diesem 7. Oktober zum ersten Mal jährte.

Im Anschluss eröffnete Bundesfrauenministerin Lisa Paus die Veranstaltung vonseiten der Bundesregierung.

“Eine freie Gesellschaft kann nur eine geschlechtergerechte Gesellschaft sein.”

Bundesfrauenministerin Lisa Paus

Prof. Dr. Ulrike Lembke machte anschließend in ihrer Keynote deutlich: Die UN-Frauenrechtskonvention und ihre Gewährleistungen sind geltendes Recht in Deutschland! Dass sie trotzdem an vielen Stellen nicht umgesetzt sind, bezeichnete die Rechtsexpertin als „Völkerrechtsbruch und Rechtsbruch in Permanenz.“ Den vollständigen Vortrag finden Sie hier.

Im Anschluss an den Einstiegsvortrag diskutierten Expertinnen aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in insgesamt vier Panels den Stand der Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention: Vom rechtlichen Rahmen über die Anwendung in den Ländern und Kommunen bis zur Bundespolitik. Dabei kamen auch die vielfältigen Mitglieder der CEDAW-Allianz zu Wort und richteten ihre Fragen und Forderungen für eine konsequente Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention an die politisch Verantwortlichen.

Im Anschluss an den fachlichen Austausch honorierten Dr. Tobias Lindner, Staatsminister im Auswärtigen Amt, und Dr. Arn Sauer, Direktor der Bundesstiftung Gleichstellung, die Errungenschaften der Frauenrechtskonvention. Michael Windfuhr, stellvertretender Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte, vermittelte die Grußbotschaft von Prof. Dr. Beate Rudolf.

Für einen gelungenen Abschluss sorgte das Poetic Recording von Jasmin Mbambo, der Simultanpoetin. Ihr Gedicht fasste den Tag zusammen und betonte die Relevanz der UN-Frauenrechtskonvention für Geschlechtergerechtigkeit. Den vollständigen Text gibt es hier.

Frauenrechte sind Menschenrechte – Keine Verhandlungssache!

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Frauenrechte sind Menschenrechte – Jubiläums­veranstaltung 45 Jahre CEDAW

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Montag, 7. Oktober 2024

Vertretung des Landes Baden-Württemberg in Berlin

14.30 Uhr Dialogveranstaltung, 18.30 Uhr Festakt

1979 wurde die UN-Frauenrechtskonvention von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet. Auch Deutschland hat das wichtigste Menschenrechtsinstrument für Frauen* und Mädchen* ratifiziert und somit in innerdeutsches Recht überführt.

Wie steht es 45 Jahre später um den Schutz der Frauenrechte in Deutschland? Was kann die UN-Frauenrechtskonvention hierzulande bewegen und wie können wir sie bestmöglich für die Gleichstellungspolitik nutzen?

Um diesen Fragen nachzugehen, lädt die CEDAW-Allianz Deutschland zu einer Jubiläumsveranstaltung ein. Neben Eröffnungsbeiträgen von Bundesfrauenministerin Lisa Paus und Staatssekretärin des Sozialministeriums Baden-Württembergs, Dr. Ute Leidig, freuen wir uns auf die Begrüßung durch Dr. Beate von Miquel, Vorsitzende des Deutschen Frauenrats, und Grußworte der Direktor*innen des Deutschen Instituts für Menschenrechte sowie der Bundesstiftung Gleichstellung. Im Anschluss an den fachlichen Austausch zwischen Vertreter*innen aus Bundestag, Ministerien, Zivilgesellschaft und Wissenschaft erwartet Sie ein vielseitiger Festakt mit Get-together.

Hier können Sie sich anmelden.

Das Programm als PDF finden Sie hier.

Die Veranstaltung wird per Live-Stream übertragen und ist über diesen LINK abrufbar.

Programm

14.00 Uhr Einlass

14.30 Uhr Beginn der Dialogveranstaltung

Begrüßung Dr. Beate von Miquel
Vorsitzende Deutscher Frauenrat für die CEDAW-Allianz Deutschland

Eröffnungsrede Lisa Paus
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Eröffnungsrede Dr. Ute Leidig
Staatssekretärin im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration des Landes Baden-Württemberg

15.00 Uhr Keynote

Prof. Dr. Ulrike Lembke
Freie Rechtswissenschaftlerin, Richterin des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin

15.15 Uhr Einstiegsgespräche

CEDAW geht alle an – Wie kann die Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention auf allen Ebenen sichergestellt werden?

1. Rechtlicher Rahmen

Maren Thomsen
Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts

Valentina Chiofalo
Vorsitzende Kommission Europa- und Völkerrecht im Deutschen Juristinnenbund

Elisabeth Winkelmeier-Becker
MdB CDU/CSU, Vorsitzende Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages

2. Anwendung des Übereinkommens im föderalen System

Dr. Simone Höckele-Häfner
Leiterin der Abteilung Gesellschaft im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration in Baden- Württemberg

Silke Gardlo
Vorstandsvorsitzende Gleichberechtigung und Vernetzung e.V., Projektleitung „Gleichstellung sichtbar machen – CEDAW in Niedersachsen“

Dr. Bahar Haghanipour
Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin (Bündnis90/Die Grünen)

3. Anwendung des Übereinkommens in den Kommunen

Hedwig Schouten
Frauenbeauftragte und Leiterin der Gleichstellungsstelle der Stadt Nürnberg
Juliane Fischer-Rosendahl
Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte Berlin-Spandau, ehem. Bundessprecherin BAG kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen
Elisa Calzolari
Stadträtin der Fraktion DIE LINKE im Stadtrat Jena

16.15 Uhr Kaffeepause

16.45 Uhr Es ist höchste Zeit: Menschenrechtsschutz in Deutschland fest verankern

Prof. Dr. Ulrike Lembke
Freie Rechtswissenschaftlerin, Richterin des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin
Dr. Petra Follmar-Otto
Leiterin Abteilung Gleichstellung im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ulrike Bahr
MdB SPD, Vorsitzende Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages
Impulse von Mitgliedern der CEDAWAllianz Deutschland

17.45 Uhr Q & A mit dem Publikum

18.00 Uhr Resümee

Elke Ferner
Vorstandsmitglied Deutscher Frauenrat

18.10 Pause

18.30 Uhr Festakt

Eröffnungsrede Dr. Tobias Lindner
Staatsminister im Auswärtigen Amt
Videobotschaft Ana Peláez Narváez
Vorsitzende CEDAW-Ausschuss der Vereinten Nationen

Grußwort Prof. Dr. Beate Rudolf
Direktorin Deutsches Institut für Menschenrechte
Grußwort Dr. Arn Sauer
Direktor Bundesstiftung Gleichstellung

19.00 Uhr Poetic Recoring mit Jasmin Mbambo

19.15 Uhr Get-together bis 20.30 Uhr

Moderation: Katharina Linnepe

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Die UN-Frauenrechts­konvention – geltendes Recht in der Bundesrepublik seit fast 40 Jahren

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Heute vor 39 Jahren, am 8. August 1985, trat die UN-Frauenrechtskonvention in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) in Kraft. Das UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (englisch CEDAW: Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women) ist eines der neun UN-Menschenrechtsinstrumente. Im damalig geteilten Deutschland hatte die Deutsche Demokratische Republik (DDR) die UN-Frauenrechtskonvention bereits im Juli 1980 ratifiziert, wodurch das Übereinkommen in der DDR gleich 1981 in Kraft trat.

Verbot der Diskriminierung von Frauen* aufgrund ihres Geschlechts

Das Diskriminierungsverbot der Frauenrechtskonvention war ein historischer Meilenstein in der Gleichstellung der Geschlechter, da es sich erstmalig auf alle Lebensbereiche bezieht. Der umfassende Maßnahmenkatalog nach Art. 2 der Konvention verbietet Diskriminierung im politischen und öffentlichen Leben (Teil II), im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich (Teil III), und im Zivilrecht einschließlich des Ehe- und Familienrechts (Teil IV). Die Konvention stellt unmissverständlich klar: Frauenrechte sind Menschenrechte, die auch vor Gerichten einklagbar sind.

Zu diesem Zweck wurde am 6. Oktober 1999 auch das Fakultativprotokoll zur Frauenrechtkonvention verabschiedet, das am 15. April 2002 in Deutschland in Kraft trat. Es ermöglicht Individualbeschwerden von Frauen* an den CEDAW-Ausschuss, um die Einhaltung der Rechte aus der Frauenrechtskonvention geltend zu machen, wenn alle nationalen Rechtsschutzmöglichkeiten ausgeschöpft wurden. Der CEDAW-Ausschuss kann als Kontrollinstanz außerdem ein Untersuchungsverfahren einleiten, sollte es zu systematischen Verletzungen der Konvention in einem Vertragsstaat kommen. Er ist auch dafür zuständig, die Staatenberichte eines jeden Vertragsstaates zum jeweiligen Umsetzungsstand der Konvention zu prüfen.

Rechtsverbindlichkeit der Frauenrechtskonvention endlich vollumfänglich ausschöpfen

Durch die Ratifizierung und darauf folgende Zustimmung des Bundestages wurde die Frauenrechtskonvention zugleich Bestandteil des deutschen Rechts. Sie wurde als Abdruck im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und war damit rechtskräftig. Seither konnte die gesellschaftliche Stellung von Frauen* weltweit verbessert werden; etwa durch Gesetzesänderungen oder die Einrichtung gleichstellungspolitischer Institutionen. Am Beispiel Deutschland wird dies an der Gründung der Bundesstiftung Gleichstellung oder der Verabschiedung einer Gleichstellungsstrategie deutlich, die auch die CEDAW-Allianz Deutschland begrüßt.

Dennoch ist das Potential der Frauenrechtskonvention nicht annährend ausgeschöpft. Deutschland fehlt es u.a. an Strukturen für die Umsetzung der Gleichstellungsstrategie in den Ministerien sowie ein konkreter Aktionsplan zur Erreichung dieser Ziele. Eine Kohäsion der Gleichsstellungspolitiken der Länder und Kommunen, auch im Einklang mit jenen auf EU-Ebene, ist nicht erkennbar.

Um diese Missstände anzugehen, bedarf es eines Nationalen Aktionsplans CEDAW, wie von der CEDAW-Allianz Deutschland in ihrem letzten Alternativbericht aus dem Jahr 2023 gefordert. Ein solcher Aktionsplan muss konkrete Maßnahmen, Ziele, Indikatoren und Benchmarks der Bundesregierung unter zivilgesellschaftlicher Beteiligung festschreiben und als Menschenrechtsschutz auf Bundes-, Landes und kommunaler Ebene konsequent umgesetzt werden. 

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Regierung einigt sich auf Bundeshaushalt 2025 – eine gleichstellungs­politische Einordnung

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Die Ampelregierung hat sich auf Eckpunkte für den Bundeshaushalt 2025 geeinigt. Der Bundestag muss dem Entwurf noch zustimmen, das geschieht vermutlich im Herbst. Doch was bedeutet der geplante Etat für gleichstellungspolitische und feministische Anliegen?

481 Milliarden Euro Ausgaben sind für den Bundeshaushalt im nächsten Jahr vorgesehen – gegenüber 2024 sollen damit etwa 8 Milliarden Euro weniger ausgegeben werden. An den geplanten Kürzungen gibt es Kritik. Die Gewerkschaften und der Sozialverband Deutschland kritisieren fehlende Investitionen im sozialpolitischen Bereich und fordern eine Reform des Steuersystems. Denn die aktuelle Steuerpolitik belastet Geringverdienende stärker als wohlhabende oder vermögende Menschen. Die in den 1990er Jahren ausgesetzte Vermögenssteuer wieder einzuführen, hätte laut einer Oxfam-Studie allein im letzten Jahr etwa 30 Milliarden Euro an Mehreinnahmen bedeutet.

Die geschlechtsspezifischen Dimensionen der Haushaltspolitik berücksichtigen

Die Auswirkungen der Steuerpolitik sind dabei keineswegs geschlechtsneutral: Da Frauen* seltener über Vermögen verfügen, zahlen sie anteilig zu ihrem Einkommen deutlich mehr Steuern als Männer*. Zugleich profitieren sie meist weniger von staatlichen Subventionen und Steuervergünstigungen. Ein Beispiel ist das sogenannte Dienstwagenprivileg, das den Staat Schätzungen zufolge jährlich mindestens 3,1 Milliarden Euro an Steuereinnahmen kostet, und von dem viermal so viele Männer* profitieren wie Frauen*. Allgemein nutzen Frauen* häufiger öffentliche Verkehrsmittel oder gehen zu Fuß, als dass sie Auto fahren. Fehlende Subventionen in die Verkehrswende (bspw. Ausbau und Erneuerungen im ÖPNV) benachteiligen daher ebenfalls Frauen* im Vergleich zu Männern*. Um die geschlechtsspezifischen Auswirkungen der Haushaltspolitik besser erfassen und berücksichtigen zu können, fordert die CEDAW-Allianz Deutschland von der Bundesregierung, Gender Budgeting im Bundeshaushalt umzusetzen und im Bundesfinanzministerium federführend einen Implementierungsplan auszuarbeiten. So könnten alle neuen Maßnahmen und Gesetze auf das Voranbringen der Geschlechtergerechtigkeit hin überprüft werden.

Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt ist auch ein Wachstumsmotor

Zeitgleich zur Haushaltseinigung haben sich die Parteispitzen der Regierungsparteien auf Eckpunkte für ein „Wachstumspaket“ geeinigt. Dieses sieht u.a. verstärkte Sanktionierungsmöglichkeiten beim Bürgergeld oder steuerliche Anreize für zugewanderte Fachkräfte vor, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Völlig unberücksichtigt bleibt hingegen, dass viele Menschen mit Sorge- und/oder Pflegeverantwortung – unter ihnen vor allem Frauen* – dem Arbeitsmarkt aufgrund mangelhafter Infrastruktur und Unterstützung nicht zur Verfügung stehen. Von den 4 Millionen erwerbsfähigen Bürgergeld-Bezieher*innen sind laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales 20 Prozent erwerbstätig und müssen aufstocken. Ein Mindestlohnniveau von 60 Prozent des Medianlohns zu etablieren, wie es die CEDAW-Allianz fordert, würde bedeuten, dass weniger Erwerbstätige auf die Aufstockung angewiesen sind. Weitere 40 Prozent stehen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, etwa weil sie kranke Angehörige pflegen oder Kinder betreuen müssen. Diese sogenannte „Stille Reserve“, der mehrheitlich Frauen* angehören, stünde dem Arbeitsmarkt eher zur Verfügung, wenn es ein besseres Betreuungsangebot gäbe – und genau dafür braucht es weitreichende Investitionen. Gleichstellung von Frauen* und Männern* im Erwerbsleben ist also nicht nur ein Gebot der Antidiskriminierung, sondern kann auch Wachstum und wirtschaftliche Stabilität fördern.

Geld für die Frauenmenschenrechte bereitstellen

Während das Budget des Verteidigungsministeriums erneut um über eine Milliarde auf 53,2 Milliarden Euro anwachsen soll, sind für die Kindergrundsicherung weiterhin nur 2 Milliarden Euro veranschlagt. Derzeit ist unsicher, ob die Kindergrundsicherung Anfang nächsten Jahres eingeführt werden wird. Stattdessen wird der Kindersofortzuschlag um fünf Euro auf 25 Euro angehoben. Dabei wäre eine armutsfeste Kindergrundsicherung gerade für Alleinerziehenden wichtig, damit Kinder auch in Einelternfamilien in wirtschaftlich stabilen Verhältnissen aufwachsen können. Zudem bräuchte es mehr Investitionen in das Schutz- und Unterstützungssystem für Frauen* vor Gewalt, um u.a. Beratungsstellen und Frauenhäuser barrierefrei gestalten zu können. Auch Präventionsmaßnahmen, u.a. Täterarbeit, sollten als ergänzende Maßnahme zum Opferschutz bundesweit auf- und ausgebaut werden.

Vor dem Haushaltsbeschluss hatten sich 180 zivilgesellschaftliche Organisationen an Olaf Scholz gewandt, um Kürzungen in der Demokratieförderung zu verhindern. Insbesondere der kleinere Etat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bedrohe zivilgesellschaftliche Projekte und Initiativen und komme zu einem Zeitpunkt, zu dem das Engagement für Demokratie und gegen Menschenfeindlichkeit wichtiger sei denn je. Auch der Verband der Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO) kritisiert die Kürzungen in der internationalen Zusammenarbeit stark. Dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sollen demnach eine Milliarde Euro weniger Mittel zur Verfügung stehen, für die Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt gibt es mehrere Millionen Euro weniger. Das gefährde Sicherheit, nachhaltige Entwicklung und globale Gerechtigkeit.  

Die CEDAW-Allianz hat bereits in ihrem Alternativbericht 2023 gefordert, die gesamte Haushaltsführung mit Zielen entlang der Menschenrechtsabkommen, qualitativer und quantitativer Indikatoren sowie Benchmarks zu unterfüttern. Denn der Bundeshaushalt stellt die Weichen für die Politik der Bundesregierung und gibt vor, in welchem Rahmen Gleichstellungspolitik stattfinden kann. Der Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit kostet Geld und braucht eine Politik, die Menschenrechte und Antidiskriminierungsarbeit priorisiert!

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Europawahlen 2024 – wie geht es nun weiter?

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Am 9. Juni hat die Bevölkerung der Europäischen Union das Europäische Parlament (EP) gewählt. Dabei sind konservative sowie rechtspopulistische und -extreme Parteien und Fraktionen insgesamt gestärkt worden. Auch in Deutschland hat die AfD dazugewonnen, wenn auch nicht so deutlich, wie noch Anfang des Jahres prognostiziert. Was bedeutet dieser Rechtsruck für die Mehrheitsverhältnisse in der EU?

Die rechten Kräfte im EU-Parlament

Es gibt zwei rechte Fraktionen im EP: Die Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), der unter anderem die als postfaschistisch geltende italienische Regierungspartei um Georgia Meloni angehört. Auch die AfD war bis zur Gründung der Fraktion Identität und Demokratie (ID) 2019 Mitglied dieser Parteienfamilie. Die in der vergangenen Legislaturperiode neu gegründete ID ist die zweitgrößte rechtsextreme Fraktion im EP. Ihr gehört unter anderem die französische Rassemblement National um Marine le Pen und die österreichische FPÖ an. Die AfD wurde während des Wahlkampfes aus der Fraktion ausgeschlossen, möchte nun aber neu über einen Wiedereintritt verhandeln.

Beide Fraktionen vereinen zusammen 131 Sitze und damit 18 Prozent der Stimmen. Die ID hat bereits vor der Wahl Interesse an einer Zusammenarbeit mit der EKR geäußert. Sie möchte die rechten Kräfte im EU-Parlament vereinen. Die europapolitisch etwas gemäßigter auftretende EKR hat bisher zurückhaltend auf diesen Vorschlag reagiert und scheint sich alle Optionen offen halten zu wollen.

Wahl zum Vorsitz der EU-Kommission

Auch wenn die beiden rechten Fraktionen Sitze dazugewonnen haben, ist die konservative Europäische Volkspartei (EVP), der auch CDU/CSU angehören, klare Wahlsiegerin. Mit knapp 26 Prozent der Stimmen ist sie stärkste Kraft und kann aller Wahrscheinlichkeit nach erneut die Kommissionspräsidentin stellen. Für eine zweite Amtszeit muss ihre Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen nicht nur die Staats- und Regierungschef*innen der EU überzeugen, sondern auch eine Mehrheit im EP hinter sich versammeln. Sie kann mit Sozialdemokrat*innen (S&D) und Liberalen (Renew Europe) zusammenarbeiten. Da es aber im EP keinen Fraktionszwang gibt, muss sie für eine sichere Mehrheit ggf. auch auf andere Parteien zugehen. Bisher hat die EVP um Ursula von der Leyen weder die Zusammenarbeit mit den Grünen noch mit der rechtspopulistischen EKR ausgeschlossen. Die deutsche Spitzenkandidatin der SPD, Katharina Barley, hat hingegen angekündigt, Ursula von der Leyen nicht als Kommissionspräsidentin zu bestätigen, sollte ihre Fraktion mit der EKR zusammenarbeiten.

Für ein Europa der Menschenrechte braucht es demokratische Mehrheiten

Klar ist: In jedem Fall werden Frauen- und Menschenrechte, reproduktive Selbstbestimmung und gleichstellungspolitische Fortschritte vom Rechtsruck im Europaparlament bedroht. Daher braucht es nun starke demokratische Allianzen und eindeutige Bekenntnisse aller demokratischen Abgeordneten zu menschenrechtlichen Verpflichtungen!

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Arbeitsplenum der CEDAW-Allianz

Arbeitsplenum der CEDAW-Allianz

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Am Montag, 3.6.2024, fanden sich die Mitglieder der CEDAW-Allianz Deutschland zu einem digitalen Arbeitsplenum ein. Das Arbeitsplenum findet zwei- bis dreimal jährlich statt. Es ist der Ort, an dem die Delegierten der Mitgliedsorganisationen zum Austausch zusammenkommen, um über die gemeinsame Arbeit zu sprechen und Beschlüsse zu fassen.

Neben Berichten aus der Koordinationsstelle und den verschiedenen Arbeitsgruppen stand unter anderem der Geburtstag von CEDAW auf der Tagesordnung. Denn die Verabschiedung der UN-Frauenrechtskonvention jährt sich in diesem Jahr zum 45. Mal. Die CEDAW-Allianz wird aus diesem Anlass eine Jubiläumsveranstaltung und eine begleitende Öffentlichkeitskampagne im zweiten Halbjahr 2024 ausrichten.

Außerdem tauschten sich die Mitglieder über die Gefahren des Rechtspopulismus und -extremismus sowie über geschlechtergerechte Sprache aus. Auch eine weitere Frage beschäftigte das Plenum: Wie kann ein Monitoring der Gleichstellungspolitik in Hinblick auf die Umsetzung der Frauenrechtskonvention stattfinden? Und wie kann die Bundesregierung in die Verantwortung genommen werden, die Empfehlungen des CEDAW-Ausschusses aus dem Staatenberichtsverfahren 2023 umzusetzen?

Zu guter Letzt wurde ein neues Mitglied in die CEDAW-Allianz aufgenommen. Der Mitgliedsantrag von One Billion Rising München e.V. wurde angenommen, somit zählt das Netzwerk nun insgesamt 35. Mitglieder.

Da die Mitglieder der CEDAW-Allianz aus ganz Deutschland zusammenkommen, findet jedes zweite Arbeitsplenum online statt. Doch auch der persönliche Austausch ist unerlässlich für die gemeinsame Arbeit. Daher wird das nächste Treffen Anfang Oktober in Berlin im Präsenzformat stattfinden.

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5. Mai – Europäischer Protesttag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Heute, am 5. Mai 2024, wird wie jedes Jahr seit 1993 der europäische Protesttag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung begangen. Ziel ist es, auf bestehende Diskriminierungen gegen Menschen mit Behinderung aufmerksam zu machen und mehr Inklusion einzufordern.

Diskriminierung und Exklusion von Menschen mit Behinderung

Menschen mit Behinderung sind in Deutschland immer noch Diskriminierung, Ausschluss und Gewalt ausgesetzt. Ein Beispiel dafür ist das Bildungssystem, das den meisten Kindern mit Behinderung einen diskriminierungsfreien Zugang zu Regelschulen verwehrt. 2019 hatten 16 Prozent der Menschen mit Behinderungen in Deutschland im Alter von 25 bis 44 Jahren keinen allgemeinen Schulabschluss. Obwohl erwiesen ist, dass Kinder mit Behinderung an regulären Schulen mit größerer Wahrscheinlichkeit einen Schulabschluss erwerben, besuchen über die Hälfte von ihnen weiterhin eine Förderschule außerhalb des Regelsystems. Dieser Ausschluss setzt sich auf dem Arbeitsmarkt fort: Insgesamt gehen deutlich weniger Menschen mit Behinderung einer Erwerbsarbeit nach als der Bevölkerungsdurchschnitt. Zudem arbeiten gut 330.000 Menschen mit Behinderungen in speziellen Werkstätten abseits des ersten Arbeitsmarkts. Dort sind die Beschäftigten vom gesetzlichen Mindestlohn ausgeschlossen und erhalten stattdessen ein Arbeitsentgelt, dass laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales im ersten Quartal 2022 durchschnittlich bei 220 € monatlich lag. So bleiben – oftmals trotz Arbeitstätigkeit im Vollzeit-Umfang – Abhängigkeiten von staatlichen Sozialhilfe-Leistungen bestehen.

Frauen* mit Behinderung erleben intersektionale Diskriminierung

Auch in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung gibt es einen Gender Pay Gap. Dieser lag laut BMAS-Studie bei sieben Prozent. Zudem erleben weibliche* Personen mit Behinderung deutlich öfter Gewalt als Frauen* ohne Behinderung: Laut einer Studie erlebt jede dritte bis vierte Frau* mit Behinderung sexualisierte Gewalt, zwei- bis dreimal häufiger als der Durchschnitt der weiblichen* Bevölkerung. Insbesondere in Einrichtungen der Behindertenhilfe gehört Gewalt zum Alltag von behinderten Frauen*.

„Jegliche Form von Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen ist grund- und menschenrechtlich verboten und nicht zu tolerieren. In Wohneinrichtungen und Werkstätten erleben Menschen mit Behinderungen jedoch häufig Gewalt, darunter körperliche oder sexualisierte Gewalt, psychischen Druck und teilweise auch unrechtmäßige freiheitsentziehende Maßnahmen. Wir kennen zahlreiche Fälle, wissen aber auch, dass das Dunkelfeld sehr hoch ist. Deswegen müssen Politik und Akteur*innen der Behindertenhilfe hier dringend handeln.“

Britta Schlegel, Leiterin der Monitoringstelle UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte

81–99 Prozent der befragten Frauen* erleben zudem Diskriminierung in Form von belästigenden, bevormundenden, ignorierenden oder Grenzen überschreitenden Verhaltensweisen (z. B. ungefragt geduzt, angefasst oder angestarrt werden). Auch diese Erfahrungen machen Frauen*, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe leben, besonders häufig. Jeweils ein Fünftel der Befragten gab zudem an, dort über kein eigenes Zimmer und/oder nicht über abschließbare Toiletten- und Waschräume zu verfügen.

Auch wenn mit 37 Prozent deutlich weniger Frauen* in Einrichtungen der Behindertenhilfe sexuell aktiv sind als in der Durchschnittsbevölkerung, sind sie doppelt so oft sterilisiert. Die politische Interessenvertretung behinderter Frauen, Weibernetz e.V., stellt dazu fest:

„Nahezu die Hälfte aller sterilisierten Frauen in Einrichtungen gaben in einer Studienauswertung an, dass der Arzt/die Ärztin oder die Betreuungsperson gesagt habe, sie sollten sich sterilisieren lassen. Eine ‚informierte und freiwillige Zustimmung‘ darf infolge dieser Ausführungen in vielen Fällen bezweifelt werden.“

Zudem fehle es an barrierefreien gynäkologischen Praxen. Deutschlandweit gebe es nur drei oder vier entsprechend ausgerüstete Spezialambulanzen, sodass Frauen* mit Behinderung oft sehr lange auf Termine warten müssen, oder gar keine Vorsorgeuntersuchungen machen lassen.

Menschenrechtsschutz von Menschen mit Behinderung

Vor 15 Jahren, am 26. März 2009, trat die UN-Behindertenrechtskonvention CRPD in Deutschland in Kraft. Ähnlich wie die Frauenrechtskonvention Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verbietet, verbietet die Behindertenrechtskonvention die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung und schreibt das Recht auf Teilhabe und Inklusion in allen Lebensbereichen fest. Das bedeutet beispielsweise den barrierefreien Zugang zu Gebäuden, Straßen oder Transportmitteln. Der Protesttag am 5. Mai soll unter dem Motto „Selbstbestimmt leben – ohne Barrieren“ darauf aufmerksam machen, dass diese Vorgaben noch bei Weitem nicht erreicht sind. Im letzten Jahr hat der zuständige UN-Ausschuss Deutschland scharf für den fehlenden Fortschritt in zentralen Bereichen kritisiert. Insbesondere weiterhin bestehende Sonderstrukturen (etwa die bereits erwähnten Förderschulen, Werkstätten oder Wohnheime für Menschen mit Behinderung), verstoßen laut Ausschuss gegen die Konvention, denn sie schränken die Wahlfreiheit Betroffener ein.

Die Behindertenrechtskonvention erkennt auch an, dass Frauen* und Mädchen* mit Behinderung besonderen Diskriminierungen ausgesetzt sind und verpflichtet die Vertragsstaaten daher, Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Menschenrechte und Grundfreiheiten sicherzustellen. Das Deutsche Institut für Menschenrechte kritisiert in seinem Parallelbericht:

„Die bisherigen staatlichen Maßnahmen reichen nicht aus, um Frauen und Mädchen mit Behinderungen konsequent und systematisch zu empowern. Insbesondere mangelt es an einer dauerhaften verlässlichen Förderung der politischen Interessenvertretungen auf Bundes- und Länderebene sowie an disaggregierten Daten nach Art der Beeinträchtigung und anderen Diskriminierungsmerkmalen, um die besonderen Lebenslagen und Diskriminierungsrisiken dieser Gruppe sichtbar zu machen.“

Interessenvertretungen von Frauen* mit Behinderung sollten daher besser gefördert und Daten zu Stigmatisierung und Diskriminierungserfahrungen erhoben werden. Außerdem empfiehlt das Institut – genauso wie der UN-CRPD-Ausschuss – die Belange von Frauen* mit Behinderung sowohl in der Behinderten- als auch in der Gleichstellungspolitik systematisch einzubeziehen. Der Ausschuss zeigt sich zudem besorgt über Gewalt gegen Menschen und insbesondere Frauen* mit Behinderung und fordert die Bundesregierung auf, die Hilfe- und Unterstützungsstrukturen in Einklang mit der Istanbul-Konvention barrierefrei zu gestalten und den Schutz vor Gewalt insbesondere in Einrichtungen der Behindertenhilfe sicherzustellen.

Auch die CEDAW-Allianz Deutschland fordert von der Bundesregierung, die Frauenrechtskonvention in Deutschland für alle Frauen* und Mädchen* unter Berücksichtigung intersektionaler Ansätze konsequent umzusetzen und zu diesem Zweck:

  • Intersektionalität bei der Bearbeitung gleichstellungspolitischer Aktivitäten auf allen Ebenen in Bund, Ländern und Kommunen verpflichtend und ressortübergreifend zu verankern
  • Studien, auch qualitativer Art, zur Situation der von intersektionalen Formen der Diskriminierung betroffenen Frauen* zu fördern und die Öffentlichkeit für diese Diskriminierungsformen zu sensibilisieren
  • die personellen und finanziellen Ressourcen sowie die Befugnisse der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu erhöhen
  • die Bundesländer, die noch keine eigenen Antidiskriminierungsgesetze haben, zu veranlassen, diese zu erlassen
  • eine bundesweit wirksame, intersektional ausgerichtete und ressortübergreifende Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen* und Mädchen*
  • die barrierefreie Ausstattung aller Frauenhäuser intensiv zu fördern

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Das Recht auf Gesundheit – internationaler Gesundheitstag

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Heute vor 76 Jahren wurde die Weltgesundheitsorganisation WHO gegründet. Das ist der Anlass für den internationalen Gesundheitstag, der jährlich am 7. April stattfindet und auf das Menschenrecht auf Gesundheitsversorgung aufmerksam machen soll. Das diesjährige Motto lautet daher folgerichtig: My health, my right – auf Deutsch: Meine Gesundheit, mein Recht.

Das Recht auf Gesundheit ist weltweit aufgrund von Konflikten, Naturkatastrophen, den Folgen des Klimawandels und nicht zuletzt schlecht finanzierter Gesundheitssysteme bedroht. Die Corona-Pandemie hat überaus deutlich gemacht, wie fragil unsere Gesundheitssysteme in Zeiten verstärkter Belastung sind, auch in Deutschland. Zudem hat sie einmal mehr gezeigt, dass Krisen nicht alle gleich betreffen und es oftmals marginalisierte Gruppen sind, die besonders unter Einschränkungen und Engpässen in der Gesundheitsversorgung leiden.

Was hat Gesundheit mit Gleichstellung zu tun?

Grundlagenforschung und klinische Forschungsergebnisse zeigen, dass sich Frauen* und Männer* oft signifikant unterscheiden hinsichtlich Erkrankungen, den Wirkungen und Nebenwirkungen von Therapien und Medikamenten. Diese Geschlechtsspezifika werden jedoch oft nicht ausreichend erfasst und ausgewertet. Ein inzwischen recht bekanntes Beispiel ist der Herzinfarkt, der bei Frauen* deutlich häufiger tödlich endet als bei Männern*. Ein Grund dafür sind geschlechtsspezifische Symptome, die bisher kaum untersucht und gelehrt wurden, und daher auch unter Ärzt*innen zu wenig bekannt sind. Bis vor wenigen Jahren wurden die meisten klinischen Untersuchungen, beispielsweise Studien zur Wirksamkeit und zu Nebenwirkungen von Medikamenten, fast ausschließlich mit männlichen* Probanden durchgeführt. Inzwischen ist bekannt, dass Medikamente von weiblichen* Körpern in der Regel sehr viel langsamer abgebaut werden – dennoch werden meistens dieselben Dosen verschrieben. Das kann mitunter tödlich sein: So gibt es Beispiele von Herz-Kreislauf-Medikamenten, welche die Lebensdauer der einnehmenden Frauen* nachweislich verkürzen, während das bei Männern* nicht der Fall ist.  

Nicht nur medizinische Forschung leidet unter diesem Gender Bias, auch das behandelnde medizinische Personal ist nicht frei davon: Eine Studie aus Kanada hat gezeigt, dass für weibliche* Patientinnen die Wahrscheinlichkeit, nach einer Operation Komplikationen mit erneutem Krankenhausaufenthalt zu erleben, um 15 Prozent höher ist, wenn sie von einem Mann* operiert wurden statt von einer Frau*. Die Wahrscheinlichkeit, an den Folgen der Operation zu versterben, ist sogar um 32 Prozent höher. Ein umgekehrter Trend für Männer*, die von Frauen* operiert wurden, ließ sich nicht feststellen. Generell gilt: Frauen* warten länger auf einen Arzttermin als Männer*. Bei Frauen* werden zudem körperliche Symptome öfter nicht ernst genommen, und psychosomatischen Ursachen zugeschrieben, während es bei Männern* eher umgekehrt ist, und psychische Krankheiten oftmals undiagnostiziert bleiben.

Das Recht auf Gesundheit in der UN-Frauenrechtskonvention

Artikel 12 der Frauenrechtskonvention CEDAW verbietet Diskriminierung im Gesundheitswesen und verpflichtet die Vertragsstaaten, den gleichberechtigten Zugang von Frauen* zu Gesundheitsdiensten sicherzustellen. Ohne Berücksichtigung der Geschlechtsspezifik in Forschung und Behandlung werden Frauen* allerdings benachteiligt. Daher fordert die CEDAW-Allianz Deutschland:

  • die Umsetzung einer systematisch geschlechtersensiblen medizinischen Forschungsförderung und Forschung: alle Gesundheit und Krankheit betreffenden Daten sind durchgängig nach Geschlecht spezifiziert zu erheben und auszuwerten
  • dass die Gesundheitsberichterstattung sowie alle Analysen zum Versorgungsgeschehen geschlechterdifferenziert erfolgen und alle Qualitätsdaten geschlechtsspezifisch und unter Einbezug intersektionaler Aspekte erhoben und ausgewertet werden
  • notwendige Strukturen und Ressourcen für eine geschlechtsspezifische und damit frauengerechte Forschung und Versorgung zu gewährleisten: in Prävention, Screening, Diagnostik, Behandlung, Rehabilitation, Pflege und Palliativmedizin inkl. entsprechender Aus-, Fort- und Weiterbildungsmodule für Gesundheitsberufe
  • die Entwicklung aller Leitlinien der medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften geschlechtsspezifisch vorzunehmen und die Entwicklung geschlechtsspezifischer Gesundheitsinformationen und Entscheidungshilfen unter Beteiligung von Nutzer*innen direkt mit einzuschließen.

Zudem schreibt Artikel 16 CEDAW das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung von Frauen* und den Zugang zu den dafür erforderlichen Informationen und Mitteln fest. Deswegen zeigt sich der CEDAW-Ausschuss besorgt über die fortdauernde Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Er empfiehlt der Bundesregierung die vollständige Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, sowie die Abschaffung der obligatorischen Beratung und dreitägigen Wartezeit in Einklang mit den entsprechenden WHO-Leitlinien. Zudem sollen sichere und legale Abtreibungsdienste von der Krankenversicherung erstattet werden. Außerdem sei wichtig, eine ausreichende Zahl angemessen ausgebildeter medizinischer Fachkräfte für die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen zur Verfügung zu stellen und erschwingliche moderne Verhütungsmittel für alle Frauen* und Mädchen* im gebärfähigen Alter zugänglich zu machen, erforderlichenfalls kostenlos. Auch die CEDAW-Allianz fordert die Bundesregierung auf, den Zugang zu kostenlosen und sicheren Schwangerschaftsabbrüchen zu gewährleisten sowie evidenzbasierte Informationen zum Schwangerschaftsabbruch bereitzustellen, offensichtliche Falschinformationen im Internet sowie die Diffamierung einzelner Ärzt*innen und Gehsteigbelästigungen zu unterbinden. Zudem braucht es:

  • Aus-, Fort- und Weiterbildung von Ärzt*innen zu allen Formen des Schwangerschaftsabbruchs, insbesondere als verpflichtenden Teil der Fachärzt*innenausbildung in der Gynäkologie
  • die kostenfreie Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln für alle sowie die angemessene Beteiligung des Bundes an den Kosten
  • flächendeckende Beratungsangebote zu allen Aspekten von Sexualität und Schwangerschaft
  • die Bereitstellung und Unterstützung von Versorgungsangeboten zu sexueller Bildung.

Auch die Versorgung rund um die Geburt ist wichtiger Teil der reproduktiven Rechte. Anstatt auf die natürliche Fähigkeit von Frauen*, Kinder zu gebären, ausgerichtet zu sein, beherrscht in Deutschland eine Pathologie- und Risiko-Orientierung die geburtshilfliche Praxis. Die aktuelle Versorgung ist zu wenig frauzentriert, zu wenig evidenzbasiert und zu wenig leitliniengerecht. Schätzungen zufolge erlebt jede zweite Frau* Gewalt unter der Geburt, weshalb wir fordern, Gewalterfahrungen in der Geburtshilfe mit strukturellen Maßnahmen zu begegnen und traumatisierende Behandlungen und deren Langzeitfolgen systematisch zu erfassen. Zudem braucht es eine bedarfs- und leistungsgerechte Vergütung von geburtshilflichem Fachpersonal, und die Beseitigung von Fehlanreizen für Interventionen in den Geburtsverlauf im derzeitigen DRG-System. Diese Finanzierung über sogenannte Diagnosis Related Groups führt dazu, dass Krankenhäuser für alle Patient*innen ausschließlich die Kosten erstattet bekommen, die durchschnittlich bei der entsprechenden Diagnose anfallen. Für Geburten bedeutet das erstens, dass immer mehr kleine Kreißsäle oder Geburtsstationen schließen müssen, da sie nicht ausreichend Geburten betreuen, um den Aufwand zu finanzieren. Zweitens wird die Begleitung längerer Geburtsprozesse de facto nicht finanziert, sodass es zu unnötigen Kaiserschnitten oder anderweitigen Eingriffen kommt (s. Ärzteblatt). Zu prüfen wären alternative Finanzierungsmodelle, insbesondere für hebammengeleitete Geburten im Krankenhaus sowie zur Beseitigung struktureller Hürden, welche die Kooperation aller Berufsgruppen rund um die Geburt behindern.

Alle Forderungen der CEDAW-Allianz Deutschland für eine vollumfängliche und konsequente Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention im Bereich Gesundheit finden Sie in unserem Alternativbericht.

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Internationaler Tag gegen Rassismus

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Am 21.3.1960 demonstrierten Tausende friedlich gegen das rassistische Apartheidsystem im südafrikanischen Township Sharpeville. 69 Menschen wurden von der Polizei erschossen, Hunderte weitere verletzt. 6 Jahre später rief die UN-Generalversammlung den 21. März zum Internationalen Tag für die Beseitigung rassistischer Diskriminierung aus. Warum dieser Tag auch in Deutschland immer noch notwendig ist.

Rassismus als historisches Verhältnis

Um Rassismus zu verstehen, lohnt sich ein Blick zurück in die Vergangenheit. Im Zuge des europäischen Kolonialismus wurde die Rassenideologie entwickelt, um die Opfer von Vertreibung, Ausrottung und Sklaverei zu entmenschlichen. Diese von den Kolonialmächten ausgeübten Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurden durch Abwertung, Homogenisierung und ‚Othering‘ (deutsch: zum Anderen machen) legitimiert. Die dabei entwickelte abwertende Sprache, mit der die „entdeckten“ Gebiete und die dort lebenden Menschen beschrieben wurden, findet sich noch heute in unserem Sprechen (und Denken) wieder (s. etwa Bundeszentrale für politische Bildung). Das „Wissen“ über Afrika, Amerika und Asien, wie wir es noch heute an vielen Stellen kulturell, politisch und sozial vermittelt bekommen, hat seinen Ursprung ebenfalls in dieser Epoche. Edward Said beschrieb dieses Phänomen später für die westliche Wahrnehmung der arabischen Welt als „Orientalismus“: Der „Orient“ ist keine tatsächlich existierende geopolitische Einheit, sondern entsteht erst in Abgrenzung zum Westen als ein von der westlichen Wahrnehmung geprägtes Konstrukt (s. le monde diplomatique).

Und nicht nur unsere Wahrnehmung und Sprache sind immer noch beeinflusst von Kolonialismus und Rassismus: Inzwischen ist erwiesen, dass der transatlantische Sklavenhandel, dem Schätzungen zufolge 40 Millionen Menschen zum Opfer fielen, die industrielle Revolution in Europa mindestens beschleunigte (European Route of Industrial Heritage). Unser heutiger Wohlstand ist also eng mit (post)kolonialer Ausbeutung verknüpft. Darüber hinaus lassen sich viele der Konflikte und die oftmals schwierige ökonomische Situation ehemaliger Kolonien direkt oder indirekt auf Auswirkungen der Kolonisierung zurückführen (geo.de). Dass wir das selten so wahrnehmen, sondern vielmehr auf Narrative von „entwickelten“ Industriestaaten und korrupten, verschuldeten „Entwicklungsländer“ stoßen, ist ebenfalls ein Zeichen postkolonialer Wissensbestände.

Rassismus in Deutschland

Eine ebenfalls wenig bekannte Tatsache ist, dass auch Deutschland eine Kolonialmacht war. Auf über 2,5 Millionen km² gründete das deutsche Kaiserreich insgesamt neun Kolonien, mit katastrophalen Folgen für die Bevölkerung (Augsburger Allgemeine). In dieser Zeit fand der deutsche Völkermord an den Herero und Nama im heutigen Namibia statt, dem schätzungsweise 75.000 Menschen zum Opfer fielen.

Auch heute gibt es Rassismus in Deutschland: Jeden Tag werden mindestens vier Menschen Opfer rechter, rassistischer oder antisemitischer Gewalt (Bundeszentrale für politische Bildung). Laut einer Studie von 2022 gehen 90 Prozent der Bevölkerung davon aus, dass es in Deutschland Rassismus gibt, 61 Prozent der Befragten nehmen diesen als alltäglich wahr. Rassistische Diskriminierung kann etwa bei der Wohnungs- oder Jobsuche, in Ämtern und Behörden oder in der Schule eine Rolle spielen. Einer aktuellen Studie der Europäischen Agentur für Grundrechte zufolge ist Deutschland sogar negativer Spitzenreiter, was Rassismus gegen Schwarze Menschen betrifft: Demnach gaben 77 Prozent der in Deutschland befragten Studienteilnehmer*innen mit afrikanischen Wurzeln an, innerhalb der vergangenen fünf Jahre explizit wegen ihrer Herkunft oder Hautfarbe von Rassismus betroffen gewesen zu sein.

Die sogenannten Gastarbeiter*innen und ihre Nachkommen erleben in Deutschland ebenfalls Rassismus. Im „Wirtschaftswunderland“ der Nachkriegszeit wurden billige Arbeitskräfte gesucht, und daher Anwerbeabkommen mit südeuropäischen und nordafrikanischen Staaten geschlossen. Die Menschen, die zum Arbeiten in die Bundesrepublik kamen, verließen ihr Zuhause und oftmals ihre Familien, um vor Ort prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen vorzufinden. Schon in den 1970er Jahren zeigten die Arbeitskämpfe der Gastarbeitenden, wie wenig die deutsche Mehrheitsgesellschaft (in Form von Gewerkschaften, Parteien und der medialen Öffentlichkeit) bereit war, sich mit den Migrant*innen zu solidarisieren (s. swr.de). Auch in der DDR gab es Gastarbeitende aus den „Bruderstaaten“ des Globalen Südens, die unter dem vorherrschenden Rassismus litten: Ein extremes Beispiel ist der staatliche Betrug vieler Tausend Mosambikaner*innen, denen ein Teil ihres – ohnehin niedrigen – Lohnes enthalten und bis heute nicht gezahlt wurde (domid.org).

Rassismus und FrauenMenschenrechte

Bis heute spielen Menschenrechtsverletzungen aufgrund von Rassismus in vielen Bereichen eine große Rolle. So ist nicht nur Human Rights Watch der Ansicht, dass die auf Abschottung ausgelegte EU-Migrationspolitik zu Todesfällen, Folter und Menschenrechtsverletzungen beiträgt. Abkommen mit Drittstaaten, fehlende Bereitschaft zur Seenotrettung und die Zustände in Lagern an den EU-Außengrenzen werden immer wieder kritisiert. In Deutschland sind insbesondere geflüchtete Frauen* in Gemeinschaftsunterkünften erhöhten Gewaltrisiken ausgesetzt. Die Anerkennung geschlechtsspezifischer Verfolgung von Frauen* als Asylgrund findet wenig statt. Dies betrifft auch lesbische, inter- und transgeschlechtliche Frauen*. Häufig werden sie als nicht glaubwürdig eingestuft oder es wird auf vermeintliche inländische Fluchtalternativen verwiesen.

Menschenrechte sind nicht teilbar und sollten für alle Menschen gelten, unabhängig von Herkunft, Glaube oder Hautfarbe. Zwar hat die Bundesregierung die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung ratifiziert, allerdings nicht die Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen. Das hat auch der CEDAW-Ausschuss wiederholt kritisiert, und Deutschland zuletzt in den Abschließenden Bemerkungen von Mai 2023 erneut aufgefordert, der Konvention beizutreten, um den vollumfänglichen Schutz aller Frauen* und Mädchen* in allen Lebensbereichen zu verbessern.

Auch für eine konsequente Umsetzung der Frauenrechtskonvention CEDAW ist die entschlossene Bekämpfung von Rassismus relevant, denn die Frauenrechte müssen für alle gelten. Im Zuge des letzten Staatenberichtsverfahrens zeigte sich der CEDAW-Ausschuss deswegen besorgt über rassistische Diskriminierung u.a. auf dem Arbeitsmarkt und durch die Polizei. Er forderte die Bundesregierung auf, Maßnahmen gegen Rassismus und intersektionale Diskriminierung zu ergreifen, und das Aufenthaltsrecht dahingehend zu ändern, dass es den Zugang von Frauen* und Mädchen* zu Gewaltschutz und Gesundheitssystem nicht behindert.

Die CEDAW-Allianz Deutschland fordert zum Schutz von geflüchteten Frauen* und vor intersektionaler Diskriminierung in Deutschland:

  • Intersektionalität bei der Bearbeitung gleichstellungspolitischer Aktivitäten auf allen Ebenen in Bund, Ländern und Kommunen verpflichtend und ressortübergreifend zu verankern
  • Studien, auch qualitativer Art, zur Situation der von intersektionalen Formen der Diskriminierung betroffenen Frauen* zu fördern und die Öffentlichkeit für diese Diskriminierungsformen zu sensibilisieren
  • die personellen und finanziellen Ressourcen sowie die Befugnisse der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu erhöhen und Bundesländer, die noch keine eigenen Antidiskriminierungsgesetze haben, zu veranlassen, diese zu erlassen
  • bessere Gewaltschutzkonzepte in den Unterkünften für Gruppen mit erhöhtem wiederholtem Gewaltrisiko, bspw. Frauen* oder Betroffene von Menschenhandel, sowie Gewaltschutzkoordinator*innen und ein effektives Beschwerdemanagement vor Ort
  • besonders vulnerable Gruppen frühzeitig zu identifizieren und vorrangig und schnell in geschützten Räumen unterzubringen
  • Frauen* als „soziale Gruppe“ im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention einzustufen, damit sie im Fall von geschlechtsspezifischer Verfolgung und Gewalt (bspw. Menschenhandel, FGM, Zwangsverheiratung) Schutz finden
  • § 87 Aufenthaltsgesetz zur Übermittlungspflicht abzuschaffen
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Gleichberechtigung statt Rosen – der Weltfrauentag im Spiegel der Zeit

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Jedes Jahr am 8. März werden die Widersprüche des modernen Feminismus besonders deutlich: Während die einen auf die Straße gehen, um ein Ende der geschlechtsspezifischen Gewalt oder gleiches Geld für gleiche Arbeit zu fordern, verschenken die anderen Rosen. Was ist der Weltfrauentag – feministischer Kampftag für eine gerechtere, gleichberechtigtere Welt oder ein kommerzialisierter Feiertag, der sich kaum noch vom Valentinstag unterscheidet?

Frauenrechtsorganisationen und Gewerkschaften haben diese Frage für sich selbst klar beantwortet, und rufen wie jedes Jahr zu Demonstrationen und Streiks auf. Gründe genug gibt es: Die DGB-Frauen etwa fordern anlässlich des Weltfrauentags:

  • die eigenständige Existenzsicherung von Frauen* als Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben,
  • die faire Aufteilung von bezahlter Erwerbs- und unbezahlter Familienarbeit zwischen Frauen* und Männern*,
  • gute öffentliche Angebote für die Betreuung von Kindern und die Versorgung von Pflegebedürftigen, und
  • eine Arbeitswelt und ein Leben frei von Gewalt.

Unter dem Motto „Invest in women: Accelerate progress“ (auf deutsch: In Frauen* investieren, Fortschritt vorantreiben) fordert UN Women die Regierungen dazu auf, mehr Geld für Frauenrechte bereitzustellen, Gender Budgeting umzusetzen, sich alternativen Wirtschaftsmodellen mit einem Fokus auf Sorgearbeit zuzuwenden und Frauenrechtsaktivist*innen weltweit zu unterstützen.

Der Weltfrauentag im Kampf gegen Ausbeutung

Und auch ein Blick in die Geschichte des 8. März zeigt deutlich: Seit jeher ist der Weltfrauentag Ausdruck eines politischen Kampfes um Gerechtigkeit. Die Wurzeln des Frauentags sind eng verbunden mit dem Kampf der Arbeiter*innen gegen ihre Ausbeutung, angefangen bei der Streikbewegung der Näherinnen in New York im Jahr 1909, die dreizehn Wochen ihre Arbeit niederlegen, um menschenwürdige Löhne für ihre Arbeit zu fordern. 1910 wird ein alljährlicher Frauentag auf der II. Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz beschlossen, der vor allem dazu dienen soll, das Frauenwahlrecht zu fordern. 1911 ruft die deutsche Sozialistin und Frauenrechtlerin Clara Zetkin zum ersten internationalen Frauentag auf. Menschen in Deutschland, Österreich, Dänemark und der Schweiz folgen dem Aufruf und gehen für das Frauenwahlrecht, aber auch für mehr Schutz von Arbeiterinnen, soziale Fürsorge für Mutter und Kind, die Gleichbehandlung von ledigen Müttern, ein besseres Angebot von Kinderkrippen und -gärten auf die Straße. Mit Beginn des 1. Weltkriegs steht der Frauentag zunehmend auch im Zeichen des Pazifismus, und wird genutzt, um gegen die Militarisierung und den Krieg in Europa zu mobilisieren.

Am 8. März 1917 streiken russische Textilarbeiterinnen und gehen zu Tausenden in St. Peterburg gegen das Zarenreich auf die Straße. Mit ihren Forderungen nach besseren Löhnen und Demokratie setzen sie die Februarrevolution (der 8. März ist im damals in Russland geltenden julianischen Kalender der 25. Februar) in Gang, die zum Ende des Zarenreichs führt (siehe auch Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg).

Der Weltfrauentag im Kampf gegen Kolonialismus

Nach dem zweiten Weltkrieg gewinnt der Frauentag auch im Rahmen antikolonialer und -imperialistischer Bewegungen an Bedeutung (siehe Zócalo Public Square): Im Dezember 1949 rufen Frauen* aus Asien, Afrika, der Karibik und Südamerika bei der Asian Women’s Conference in Beijing dazu auf, den Weltfrauentag am 8. März 1950 zu nutzen, um sich weltweit für Dekolonisierung und die Rechte von Arbeiterinnen einzusetzen. Überall auf der Welt werden daraufhin Aktionen organisiert, um sich gegen kolonialistische und imperialistische Aggressionen und ihre Auswirkungen auf die Frauen* vor Ort einzusetzen: In verschiedenen argentinischen Städten organisieren linke Frauengruppen Friedenskongresse, in Brasilien werden zehntausende Flugblätter gegen den Ausverkauf brasilianischen Öls an die USA verteilt. In Damaskus und Homs organisieren Frauen* Anti-Kriegs-Demonstrationen und in der Elfenbeinküste Proteste gegen die französische Besatzung.

Und auch Frauen* aus den Machtzentren des Globalen Nordens solidarisieren sich mit den antikolonialen Widerstandbewegungen. Europäische und US-amerikanische Frauenrechtlerinnen, die 1949 in Beijing waren, tragen ihre Forderungen zurück in die Parlamente und auf die Straßen ihrer Heimat.

Der Weltfrauentag heute

Seit 1975 ist der internationale Frauentag von den Vereinten Nationen als Aktionstag anerkannt. In Berlin und seit letztem Jahr auch in Mecklenburg-Vorpommern ist er sogar gesetzlicher Feiertag (ähnlich wie in der Ukraine, in Kasachstan, Uganda, Aserbaidschan, oder Laos). Zunehmend finden intersektionale Perspektiven und Diskriminierungen Eingang in den feministischen Protest. Daher wird der Weltfrauentag vielerorts auch als feministischer Kampftag bezeichnet, um am 8. März das Eintreten gegen geschlechtsspezifische Diskriminierung jenseits binärer Geschlechtsidentitäten zu vereinen.

Es gibt immer noch Gründe genug, zu protestieren: Nirgendwo auf der Welt ist die Gleichstellung der Geschlechter erreicht. In Deutschland ist dieses Jahr zwei Tage vor dem 8. März der Equal Pay Day – bis zum 6. März 2024 müssen Frauen* durchschnittlich arbeiten, um auf das Jahresgehalt zu kommen, dass Männer* 2023 verdient haben. Die soziale Ungleichheit innerhalb der Länder, aber auch zwischen den einkommensstarken und -schwachen Ländern nimmt weiter zu. Es braucht also auch über 100 Jahre nach seiner Entstehung immer noch einen internationalen Weltfrauentag, um gemeinsam und solidarisch gegen Ausbeutung, Gewalt und Krieg einzutreten.

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Welttag der sozialen Gerechtigkeit am 20. Februar

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Heute, am 20. Februar, wird jährlich der Welttag der sozialen Gerechtigkeit begangen. Er wurde 2009 von den Vereinten Nationen (UN) ins Leben gerufen, um darauf aufmerksam zu machen, dass weltweit Menschen aufgrund von Ungleichheit und Armut ein Leben in Würde und Sicherheit verwehrt wird.

Soziale Ungleichheit nimmt weltweit zu

Laut UN trägt soziale Gerechtigkeit dazu bei, dass Gesellschaften und Volkswirtschaften besser funktionieren und Armut, Ungleichheiten und soziale Spannungen abgebaut werden. Sie spielt eine wichtige Rolle bei der Erreichung inklusiver und nachhaltiger sozioökonomischer Entwicklungspfade und ist ein Schlüssel zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) der Agenda 2030.

Dennoch sind überall auf der Welt lebenswichtige Ressourcen sehr ungleich verteilt. Viele Menschen haben keinen Zugang zu Wohnungen, Arbeitsplätzen, Gesundheitsversorgung, Bildung und Ernährung. Die Coronapandemie hat das Gefälle zwischen arm und reich und die damit einhergehenden Ungleichheiten verschärft und auf besondere Weise sichtbar gemacht. 

Ein erst vor Kurzem veröffentlichter Bericht von Oxfam zeigt auf, dass die fünf reichsten Männer* der Welt ihr Vermögen seit 2020 von 405 Milliarden auf 869 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppelt, während die ärmsten 60 Prozent der Menschheit 20 Milliarden US-Dollar an Vermögen verloren haben. Das Vermögen aller Milliardär*innen wuchs dabei dreimal so schnell wie die Inflationsrate.

„Wenn jeder der fünf reichsten Männer täglich eine Million US-Dollar ausgeben würde, bräuchten sie 476 Jahre, um ihr gesamtes Vermögen zu verbrauchen.“

Quelle: INEQUALITY INC. How corporate power divides our world and the need for a new era of public action, eigene Übersetzung

Gleichzeitig ist die Zahl der von extremer Armut betroffenen Menschen seit 2020 um etwa 70 Millionen auf insgesamt 700 Millionen gestiegen – extreme Armut bedeutet hier, über weniger als 2,15 US-Dollar pro Tag zu verfügen (Weltbank). Insbesondere im Globalen Süden leiden arme Menschen bis heute an den Folgen von Pandemie, Kriegen und Konflikten sowie den Auswirkungen des Klimawandels, weil Nahrungsmittel und Energieträger teurer werden, und zugleich die Löhne stagnieren.

Doch auch in Deutschland zeigt sich ein ähnlicher Trend: Das Gesamtvermögen der fünf reichsten Deutschen ist seit 2020 inflationsbereinigt um rund Dreiviertel auf etwa 155 Milliarden US-Dollar gewachsen. Und dass, obwohl im Jahr 2022 insgesamt 26,8 Prozent der Menschen in Deutschland in Armut lebten (2010 lag die Quote noch bei 22,2 Prozent, vgl. Hans-Böckler-Stiftung). Dabei sind dem Armutsrisiko nicht alle Menschen gleich ausgesetzt: Überdurchschnittlich oft von Armut betroffen sind Ostdeutsche, Frauen*, Alleinerziehende, Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, Singles und Menschen, deren Schulabschluss maximal einem Hauptschulabschluss entspricht.

Auch eine Frage globaler Geschlechtergerechtigkeit

Laut Oxfam besitzen Männer* 105 Billionen US-Dollar mehr Vermögen als Frauen*. Dieser Unterschied entspricht mehr als dem Vierfachen der Größe der US-Wirtschaft.

Die Studie kommt jedoch noch zu einem weiteren Ergebnis: Ein Großteil dieses Vermögens ist im Globalen Norden konzentriert; insbesondere große multinationale Unternehmen haben in den vergangenen Jahrzehnten profitiert. Während immer mehr Menschen in extremer Armut leben, haben die größten Unternehmen in den Jahren 2021 und 2022 einen Gewinnzuwachs von 89 Prozent verzeichnet – und dieser hat sich hauptsächlich als Privatgewinn weniger superreicher Männer* im Globalen Norden niedergeschlagen. Im Gegenzug dazu sind es Frauen* im Globalen Süden, die am meisten unter der wachsenden Armut und Unsicherheit leiden, die mit den multiplen Krisen unserer Zeit einhergehen.

Auch in Deutschland haben Frauen* nicht nur deutlich weniger Vermögen als Männer*, sie sind auch einem höheren Armutsrisiko ausgesetzt (Mikrozensus 2022). Diese ungleiche Betroffenheit von Armut hängt unter anderem eng mit gesellschaftlichen Geschlechterrollen und der ungleichen Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zusammen: Aufgrund niedrigerer Renten sind Frauen* häufiger von Altersarmut betroffen, und die höchste Armutsgefährdungsquote verzeichnen Alleinerziehende – von denen 82 Prozent weiblich* sind.

Was zu tun wäre

Um Gleichstellung weltweit zu verbessern, müssten politische Maßnahmen die strukturelle Benachteiligung von formell und informell arbeitenden Frauen* in globalen Wertschöpfungsketten explizit adressieren. Ein wichtiger Schritt wäre die Einführung eines geschlechtergerechten, europaweiten Lieferkettengesetzes, das Unternehmen verpflichtet in der gesamten Wertschöpfungskette Sorgfalt walten zu lassen (s. Alternativbericht der CEDAW-Allianz).

Innenpolitisch bräuchte es einen ganzheitlichen Arbeitsbegriff, der unbezahlte Sorgearbeit genauso wie bezahlte Erwerbsarbeit berücksichtigt und vielfältige Maßnahmen, um Sorgearbeit gerecht aufzuteilen und Entgeltgerechtigkeit zu erreichen (mehr zu den detaillierten Forderungen der CEDAW-Allianz in unserem Alternativbericht). Zudem fordern Steuerrechtler*innen von der Bundesregierung, ihre Steuerpolitik grundlegend zu überdenken, da auch sie ein wichtiges Mittel im Kampf für mehr soziale Gerechtigkeit ist: Während insbesondere sehr hohe Vermögen und Erbschaften derzeit wenig bis gar nicht besteuert werden, werden Arbeitseinkommen mit Abgaben von 40 bis 50 Prozent belastet (mdr.de).

Da Frauen* deutlich seltener über Vermögen verfügen, zahlen sie anteilig zu ihrem Einkommen deutlich mehr Steuern als Männer*. Insgesamt belastet die aktuelle Steuerpolitik Geringverdienende stärker als wohlhabende Menschen, auch durch indirekte Abgaben wie die  Mehrwertsteuer. Damit ist sie ein Treiber für Ungleichheit.

Soziale Gerechtigkeit ist eine Grundvoraussetzung für nachhaltige Entwicklung und gleichberechtigte Teilhabe. Zudem wird auch in Deutschland immer mehr sichtbar: Große Ungleichheiten können die demokratische Stabilität in vielfältigen Gesellschaften gefährden. Um stattdessen eine gleichberechtigte Teilhabe und die faire Verteilung von Zeit, Geld und Macht zu erreichen, bedarf es angemessener Tarif- und Mindestlöhne, sozialer Absicherung sowie fairer Arbeitsbedingungen weltweit.

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Internationaler Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Laut Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (unicef) sind weltweit mindestens 200 Millionen Frauen* und Mädchen* von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen. Zusätzlich sind 4 Millionen Mädchen* jährlich gefährdet, einer Beschneidung unterzogen zu werden. Ein derartiger Eingriff kann sich ein Leben lang schwerwiegend auf die körperliche und psychische Gesundheit auswirken. Um auf diese Menschenrechtsverletzung aufmerksam zu machen, findet seit 2003 am 6. Februar der „Internationale Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung“ statt.

Eine Praxis mit gravierenden gesundheitlichen Folgen

Die weibliche Genitalverstümmelung (im Englischen „Female Genital Mutilation“ oder „Female Genital Cutting“, kurz FGM/C) wird hauptsächlich an Mädchen* zwischen dem Säuglings- und dem Jugendalter, gelegentlich auch an erwachsenen Frauen*, vorgenommen (Weltgesundheitsorganisation, WHO). Diese Praktik wird in einigen Regionen seit Jahrhunderten als Tradition ausgeübt und mit religiösen oder gesellschaftlichen Pflichten oder der Sicherstellung der Jungfräulichkeit vor der Ehe begründet (minor – Projektkontor für Bildung und Forschung).

Konkret unterscheidet die WHO vier Typen von FGM/C:

  • Typ I: Die Klitoris und/oder die Klitorisvorhaut werden teilweise oder komplett entfernt.
  • Typ II: Die Klitoris und die kleinen Schamlippen werden teilweise oder vollständig entfernt.
  • Typ III: Auch Infibulation genannt; Schamlippen und/oder Klitoris werden teilweise oder vollständig entfernt, die Vaginalöffnung wird verengt bzw. verschlossen.
  • Typ IV: Alle anderen schädigenden Eingriffe, die die weiblichen* Genitalien verletzen und keinem medizinischen Zweck dienen, z.B. Einschneiden oder Stechen.

Der Eingriff findet meist unter katastrophalen hygienischen Bedingungen und ohne Betäubung statt. Betroffene leiden oft unter nachhaltigen gesundheitlichen und psychischen Problemen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) nennt als unmittelbare Konsequenzen unter anderem intensive Schmerzen, Blutungen, Urinstau und Entzündungen. Langfristig können Betroffene mit Problemen beim Geschlechtsverkehr, bei Schwangerschaft und Geburt konfrontiert werden. Darüber hinaus leiden viele Frauen* jahrelang unter dem erlebten Trauma und verlieren das Vertrauen in ihre Bezugspersonen. Zusätzlich können Angstzustände, Schamgefühle, Depressionen, Posttraumatische Störungen, Konzentrationsschwäche, Partnerschaftskonflikte und Psychosen auftreten (Bundeszentrale für politische Bildung, bpb).

Laut WHO sterben 10 Prozent der Betroffenen an den direkten Folgen einer FGM/C, in Folge einer Blutvergiftung oder von Blutverlust. Weitere 25 Prozent sterben an den langfristigen Folgen von FGM/C wie Infektionen mit Aids und Hepatitis oder Komplikationen bei der Geburt (bpb).

In Deutschland nimmt die Zahl der betroffenen Frauen* und Mädchen* weiter zu

Zwar ist die FGM/C vor allem in weiten Teilen Westafrikas, Ostafrikas und Zentralafrikas sowie in Ländern wie dem Jemen, dem Irak, in Indonesien und Malaysia weit verbreitet (INTEGRA Netzwerk), es sind jedoch auch Frauen* und Mädchen* in Europa betroffen.

Entsprechend einer vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) in Auftrag gegebenen Studie aus dem Jahr 2020 wird die Anzahl der in Deutschland lebenden Betroffenen auf etwa 67.000 geschätzt. Im Vergleich zu Zahlen von 2017 bedeutet dies einen Anstieg von etwa 40 Prozent. Die erhebliche Zunahme der betroffenen Frauen* und Mädchen* lässt sich laut BMFSFJ darauf zurückführen, dass eine verstärkte Zuwanderung aus Ländern erfolgte, in denen FGM/C praktiziert wird. In weiteren Schätzungen aus der Zivilgesellschaft wird davon ausgegangen, dass 103.947 Mädchen* und Frauen* von FGM/C betroffen und bis zu 17.271 Mädchen* in Deutschland potenziell gefährdet sind.

Ein Kontaktpunkt zu den Betroffenen von FGM/C besteht durch Hebammen. Da bei besonders schweren Formen von FGM/C die Gefahr besteht, dass die Geburt aufgrund von behinderten Wehen oder auftretenden Geweberissen sowohl für die Mutter* als auch das Kind lebensbedrohlich werden kann (BMZ), können Hebammen für betroffene Personen wichtige Ansprechpartner*innen sein (BMFSFJ). Seit Januar 2020 berücksichtigt die Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen die besondere Situation von Frauen*, die einer FGM/C unterzogen wurden. Um die Versorgung betroffener Frauen* rund um die Geburt weiter auszubauen, fordert die CEDAW-Allianz Deutschland (siehe Alternativbericht):

  • die Kennzeichnung von FGM/C vor allem Infibulation (Typ III) im Mutterpass, wenn ein ausdrückliches Einverständnis der Frau* vorliegt
  • die systematische Einbeziehung von Weiterbildungsangeboten zu geschlechtsspezifischer Gewalt, einschließlich FGM/C, in die Aus- und Weiterbildung relevanter Berufsgruppen

FGM/C als geschlechtsspezifische Gewalt

FGM/C ist eine Menschenrechtsverletzung. Sie manifestiert eine tief verwurzelte Geschlechterungleichheit und repräsentiert eine ausgeprägte Form der Diskriminierung gegenüber Mädchen* und Frauen*. Da FGM/C in der Regel an Minderjährigen durchgeführt wird, stellt sie auch einen klaren Verstoß gegen die Rechte von Kindern dar. Diese Praxis verletzt nicht nur das Recht auf Gesundheit, Sicherheit und körperliche Unversehrtheit, sondern auch das Recht auf Freiheit vor Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung. Darüber hinaus wird das Recht auf Leben verletzt, wenn der Eingriff zum Tod führt (WHO).

Aus diesem Grund ist FGM/C in vielen Staaten verboten. Auch in 24 von 29 Staaten, in denen Frauen* traditionell beschnitten werden, ist die Durchführung von FGM/C strafbar. Lediglich in Liberia, Somalia, Sierra Leone, Mali und dem Sudan existieren keine gesetzlichen Bestimmungen. In Deutschland ist FGM/C seit 2013 ein Strafbestand nach §226A Strafgesetzbuch. Aber auch durch internationale Abkommen wie die UN-Frauenrechtskonvention, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die Kinderrechtskonvention ist weibliche* Genitalverstümmelung rechtswidrig (Bundeszentrale für politische Bildung). So wird in den Allgemeinen Empfehlungen des CEDAW-Ausschusses zu Gewalt gegen Frauen* von 1992 weibliche Genitalverstümmelung als geschlechtsbezogene Gewalt und als eine fundamentale Menschenrechtsverletzung definiert (BMFSFJ).

Um diese Menschenrechtsverletzung auch in Deutschland effektiv zu bekämpfen, fordert die CEDAW-Allianz die Bundesregierung in ihrem Alternativbericht dazu auf, folgende Punkte umzusetzen:

  • einen Nationalen Aktionsplan gegen FGM/C
  • mehrsprachige und leicht zugängliche Informationen über Hilfsangebote an allen geeigneten Stellen (z. B. Behörden, Arztpraxen, Beratungsstellen, Schulen)
  • notwendige finanzielle Mittel bereitzustellen, um Projekte gegen FGM/C zu fördern, sowie Angebote bzw. Anlaufstellen bundesweit zu verbreiten und verbessern
  • die Durchführung einer nationalen Sensibilisierungskampagne
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Unser Jahr 2023 – ein Rückblick

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

2023 war ein bewegtes Jahr – politisch wie für die CEDAW-Allianz Deutschland. Von der Veröffentlichung des Alternativberichts und der Übergabe an die Bundesregierung über die neu ausgestattete Koordinationsstelle bis zum Parlamentarischen Frühstück schauen wir daher zurück auf ein erfolgreiches Jahr.

Allianz begrüßt ihr 34. Mitglied

2018 gegründet, ist die CEDAW-Allianz im vergangenen Jahr weitergewachsen. In der CEDAW-Allianz Deutschland engagieren sich mit dem jüngsten Mitglied, dem Berliner Frauenbund 1945 e.V. nun 34 zivilgesellschaftliche Organisationen für Frauenrechte und die Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention CEDAW in Deutschland.

Kernbestandteil der Arbeit ist die Erstellung eines Alternativberichts für das Staatenberichtsverfahren. Dieser nimmt Bezug zum Staatenbericht der Bundesregierung, schätzt den Stand der Umsetzung der Konvention ein, und formuliert die politischen Forderungen der Allianz. 2023 stellte die CEDAW-Allianz ihren Alternativbericht parallel zum 9. Staatenbericht der Bundesregierung fertig.

Alternativbericht an Bundesregierung übergeben

Im Rahmen eines vom Bundesfrauenministerium organisierten Dialogforums am 21. April übergab, stellvertretend für die Mitgliedsorganisationen der CEDAW-Allianz Deutschland, die Vorsitzende der Trägerorganisation Deutscher Frauenrat, Dr. Beate von Miquel, den Alternativbericht 2023 an Staatssekretärin Margit Gottstein.

Das Dialogforum bot darüber hinaus eine Gelegenheit, mit Vertreter*innen verschiedener Bundesministerien und Gleichstellungsinstitutionen von Bund und Ländern in direkten Austausch zu treten, denn die Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention geht nur gemeinsam mit allen politischen Ressorts auf Bundes-, Länder und kommunaler Ebene.

Die CEDAW-Allianz bei der Staatenanhörung Deutschlands in Genf

Anfang Mai reiste eine Delegation der CEDAW-Allianz Deutschland dann zu den Vereinten Nationen nach Genf anlässlich der 85. CEDAW-Sitzung. Während der zweiwöchigen Ausschusssitzung Anfang Mai wurde auch die deutsche Regierung im Rahmen des Staatenberichtsverfahrens angehört.

Im Rahmen der Staatenanhörung wird auch die Zivilgesellschaft des jeweiligen Landes angehört, dessen Bericht geprüft wird. Die CEDAW-Allianz konnte ihre Forderungen für eine konsequente Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention in einem mündlichen Statement verlesen, und so die Expert*innen des CEDAW-Ausschusses auf wichtige Themenfelder und gleichstellungspolitische Defizite in Deutschland hinweisen.

Am Abend war die Delegation zusammen mit weiteren Vertreter*innen der Zivilgesellschaft in der Ständigen Vertretung Deutschlands bei den Vereinten Nationen eingeladen. Bei einem gemeinsamen Abendessen konnten wichtige gleichstellungspolitische Themen gegenüber der deutschen Regierungsdelegation angesprochen werden.

UN-CEDAW-Ausschuss veröffentlicht seine Abschließenden Bemerkungen für Deutschland

Nach der Staatenanhörung der Bundesregierung wurden die Abschließenden Bemerkungen des CEDAW-Ausschusses an die deutsche Bundesregierung veröffentlicht. Sie verdeutlichen, wo besonderer Handlungsbedarf besteht, um Gleichstellung und Frauenrechte in Deutschland voranzutreiben. Es hat sich gezeigt: Zahlreiche Empfehlungen und Handlungsappelle des Ausschusses decken sich mit den Forderungen der CEDAW-Allianz Deutschland.

CEDAW-Allianz lädt zum Parlamentarischen Frühstück

In seinen Abschließenden Bemerkungen verweist der Ausschuss auch auf die Verantwortung der Parlamente für die Umsetzung der Frauenrechtskonvention. Abgeordnete können etwa Gesetzesvorschläge der Bundesregierung auf ihre Kompatibilität mit den Vorgaben der UN-Frauenrechtskonvention prüfen, eigene Gesetzesinitiativen zur Umsetzung vorschlagen, oder den Stand der Umsetzung in Anfragen an die Bundesregierung kritisch verfolgen.

Am 17. November lud die CEDAW-Allianz daher Abgeordnete aller demokratischen Fraktionen im Bundestag zu einem parlamentarischen Frühstück. Unter dem Motto „Menschenrechte für alle verwirklichen – die UN-Frauenrechtskonvention als wirksames Instrument“ wurden Möglichkeiten besprochen, die UN-Frauenrechtskonvention mehr in die Arbeit des Bundestages zu integrieren. Denn als Legislative ist der Bundestag, genauso wie die Parlamente der Bundesländer, verpflichtet, ihre Umsetzung voranzutreiben.

Verstärkung der Koordinationsstelle

Außer dem politischen Engagement konnte die Allianz 2023 auch einen internen Meilenstein verzeichnen: In Trägerschaft des Deutschen Frauenrat e.V. konnte die Koordinationsstelle durch eine öffentliche Förderung personell und finanziell besser ausgestattet werden. Insgesamt vier Mitarbeiterinnen konnten im Frühling ihre Arbeit aufnehmen.

Neben der Koordination und Unterstützung der CEDAW-Allianz Deutschland und ihrer Gremien steht insbesondere die Bekanntmachung der UN-Frauenrechtskonvention im Fokus der Arbeit der Koordinationsstelle. Im Rahmen dessen werden die Themen der Allianz nun auch in die Sozialen Netzwerke getragen: Sowohl auf Instagram als auch LinkedIn ist die Allianz seit 2023 präsent. #GemeinsamfürFrauenrechte

Faktenblatt: Die UN-Frauenrechtskonvention

Seit 1985 gilt CEDAW in der Bundesrepublik Deutschland als geltendes Recht – trotzdem ist sie hierzulande wenig bekannt. Die CEDAW-Allianz arbeitet verstärkt daran, die Konvention auf verschiedenen Ebenen in Deutschland bekannter zu machen, um die Umsetzung zu beschleunigen. Ein wesentlicher Aspekt dieser Bemühungen besteht darin, niedrigschwellige Informationsangebote zu schaffen.

Für ein breites Publikum wurde daher 2023 auch das Informationsblatt „Menschenrechte sind Frauenrechte – Die UN-Frauenrechtskonvention“ veröffentlicht. Möglichst leicht verständlich und zugangsarm wird über FrauenMenschenrechte und Gleichstellung als Menschenrecht informiert. Das Informationsblatt steht kostenfrei zum Download bereit und kann auch von anderen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen als Arbeitsgrundlage genutzt werden.

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75 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

75 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Heute vor 75 Jahren, am 10. Dezember 1948, wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet. In 30 Artikeln schreibt sie jedem Menschen dieselben bürgerlichen, politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte zu.

Diese Menschenrechte sind:

  • Unveräußerlich: Sie können niemandem genommen und nicht abgegeben werden.
  • Unteilbar: Sie sind gleichwertig und können sich nicht gegenseitig aufheben.
  • Universell: Sie gelten für alle Menschen überall und bedingungslos.

Die Grundlage des heutigen internationalen Menschenrechtsschutzes bilden die Menschenrechtsabkommen der Vereinten Nationen. Die UN-Frauenrechtskonvention CEDAW ist eines dieser insgesamt neun Abkommen. Deutschland hat alle diese Menschenrechtsabkommen ratifiziert, bis auf die Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen, die die Rechte von Migrant*innen regelt.

Frauenrechtsverletzungen in Deutschland

Gewalt gegen Frauen* und Mädchen* ist die am weitesten verbreitete Menschenrechtsverletzung und auch in Deutschland alltäglich. Geschlechtsspezifische Gewalt betrifft dabei nicht alle Frauen* gleich: Besonders Frauen* mit Behinderungen, Migrant*innen, Asylsuchende, wohnungslose Frauen*, BIPoC Frauen*,Frauen* ohne Papiere oder trans* Frauen* erleben besonders häufig Mehrfachdiskriminierungen und Gewalt. Zugleich sind bestehende Unterstützungs- und Schutzstrukturen für sie weniger zugänglich. Auch für Personen mit diversen geschlechtlichen Identitäten und Körpern (etwa nicht-binäre oder intergeschlechtliche Menschen) sind Menschenrechtsverletzungen in Deutschland alltäglich: Für 2022 verzeichnet das Bundesinnenministerium 1422 queerfeindliche Fälle von Gewalt, Beleidigung oder Volksverhetzung.

Diskriminierung von Frauen* ist eine Menschenrechtsverletzung

Auch unabhängig von Gewalt verletzt jede Form der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der Geschlechtsidentität den wichtigen Grundsatz der Menschenrechte, dass alle Menschen dieselben unveräußerlichen Rechte innehaben und damit Anspruch auf Gleichberechtigung. Und doch erleben Frauen*, Mädchen* und Personen mit diversen geschlechtlichen Identitäten und Körpern immer wieder Diskriminierung und werden an ihrer politischen, sozialen und wirtschaftlichen Teilhabe gehindert.

Dies wird beispielsweise in der weiterhin großen Lohn- und Rentenlücke sichtbar, die eng mit ungleich verteilter Sorgearbeit, aber auch mit geschlechtsspezifischer Lohndiskriminierung zusammenhängt. Doch auch überkommene und stereotype Rollenbilder sind eine Ursache ungleicher Behandlung. In der letzten Leipziger Autoritarismus Studie von 2022 stimmte fast jede*r vierte Deutsche*r der Aussage zu, Frauen* würden sich in der Politik häufig lächerlich machen. 26,9 Prozent stimmten überein, dass Frauen* sich wieder mehr auf die Rolle als Ehefrau und Mutter besinnen sollten und 36 Prozent stimmten zu, dass Männer* einen rationaleren Blick auf die Dinge hätten als Frauen*.

Der Abbau solcher Einstellungen, die die gleichberechtigte Teilhabe und den gleichberechtigten Zugang zu Menschenrechten behindern, ist eine der Verpflichtungen, die sich für die Vertragsstaaten aus der Frauenrechtskonvention ergibt:

CEDAW ist „das erste und einzige Menschenrechtsübereinkommen, das die Vertragsstaaten verpflichtet, gesellschaftliche Einstellungen und kulturell bedingte Verhaltensmuster und Praktiken zu ändern oder abzuschaffen, die auf der Vorstellung der Minderwertigkeit oder Überlegenheit eines Geschlechts basieren“. Hanna Beate Schöpp-Schilling, von 1989–2008 deutsches Mitglied des Frauenrechtsausschusses der Vereinten Nationen (CEDAW-Ausschuss), zitiert nach dem Handbuch zu Frauenrechtskonvention des BMFSJ.

Die Frauenrechtskonvention verpflichtet damit zu einer de facto Gleichstellung, die über das Papier hinausgeht und in allen Lebensbereichen vollumfänglich umzusetzen ist. Dafür gibt es auch heute noch viel Handlungsbedarf.

Menschenrechte verwirklichen – auch in Deutschland

Sowohl im Rahmen des Staatenberichtsverfahrens zur Umsetzung der Frauenrechtskonvention, als auch durch die Istanbul Konvention wird Deutschland immer wieder zum Handeln gegen Gewalt und Diskriminierung gegen Frauen* aufgefordert. 

Ebenso besteht erheblicher Handlungsbedarf bei der Umsetzung weiterer Menschenrechtskonventionen wie der Behindertenrechtskonventionen und Kinderrechtskonventionen. So heißt es in den abschließende Bemerkungen zum 1. Staatenbericht im Rahmen der Behindertenrechtskonvention 2023: „Der Ausschuss ist besorgt über die ungenügenden Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung der Mehrfachdiskriminierung von Frauen und Mädchen mit Behinderungen, insbesondere von Migrantinnen und weiblichen Flüchtlingen“.

Umso wichtiger ist es also, für die Wahrung und den Schutz der Rechte marginalisierter Personen, wie Frauen*, Kinder, und Personen mit Fluchtgeschichte, Beeinträchtigungen oder diversen geschlechtlichen Identitäten und Körpern, einzutreten.

Deutschland muss seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommen und die Menschenrechtskonventionen wie die UN-Frauenrechtskonvention CEDAW vollumfänglich umsetzen. Außerdem fordern wir, endlich die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer*innen und ihrer Familienangehörigen zu ratifizieren.

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Orange The World: Gewalt gegen Frauen* geht uns alle an!

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Heute, am Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen*, startet die 16-tägige „Orange The World“-Kampagne. Sie wurde von den Vereinten Nationen (UN) ins Leben gerufen, um auf die Gewalt gegen Frauen* als eine der häufigsten Menschenrechtsverletzungen weltweit aufmerksam zu machen. Auch in Deutschland sind Frauen* und Mädchen* sowie Menschen mit diversen geschlechtlichen Identitäten und Körpern täglich von körperlicher und sexualisierter Gewalt betroffen. Sei es in den eigenen vier Wänden, im öffentlichen Raum, am Arbeitsplatz, in Institutionen und Behörden oder im digitalen Raum. Das muss ein Ende haben!

Seit 1991 machen die UN mit der „Orange The World“ Kampagne, symbolisiert durch orangene Handabrücke, auf die Gewalt gegen Frauen* aufmerksam. Auch wenn diese Aktion schon seit über zwanzig Jahren stattfindet, hat sie nicht an Aktualität verloren: Geschlechtsspezifische Gewalt ist weltweit Alltag und immer noch tief in den Strukturen unserer Gesellschaft verwurzelt.

Von geschlechtsspezifischer Gewalt sind überwiegend Frauen* und Mädchen* betroffen. Sie kann sich aber auch gegen Personen richten, die nicht den traditionellen Geschlechternormen oder einem streng binären Geschlechtsverständnis entsprechen z.B. trans* oder nicht-binäre Personen.

Nach sogenannten Dunkelfeldstudien des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erlebt mindestens jede dritte Frau* im Laufe ihres Lebens physische und/oder sexualisierte Gewalt, was in Deutschland mehr als 12 Millionen Menschen umfasst. In den meisten Fällen geht diese Gewalt von Männern* aus dem sozialen Umfeld der betroffenen Frauen* aus, z.B. (Ex-)Partner*, Kollegen*, Verwandte oder Freunde*. Dabei sind öffentliche Orte, anders als oft wahrgenommen, viel weniger gefährlich als der soziale Nahraum: Die meiste Gewalt findet zuhause statt (UN Women). Trotzdem erleben viele Frauen*, Mädchen* und Menschen mit diversen geschlechtlichen Identitäten und Körpern immer wieder auch Gewalt in der Öffentlichkeit und betrachten sie als Teil ihres Alltags. Über die Hälfte aller Frauen* meidet deswegen bestimmte Orte bei Dunkelheit oder fühlt sich dort unsicher (Bundesministerium für Inneres und Heimat).

Unter geschlechtsbezogene Gewalt fallen u.a. auch Menschenhandel, weibliche Genitalverstümmelung oder Zwangsheirat. Der Begriff Menschenhandel umfasst die (wirtschaftliche) Ausbeutung von Menschen durch Gewalt, Zwang, Betrug oder Täuschung. Dazu zählt auch der Zwang zu sexuellen Handlungen in Form von Nötigung, erzwungene pornografische Inhalte, oder Zwangsprostitution (UN Women). Entsprechend der Zahlen des Bundeskriminalamts bilden Frauen* in Deutschland die Mehrheit der Betroffenen von sexueller Ausbeutung. Auch die Anzahl der weiblichen Genitalverstümmelungen ist zwischen 2017 und 2020 um 40 Prozent gestiegen (Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend).

Unabhängig davon, ob sie im privaten oder öffentlichen Raum stattfindet, hat geschlechtsspezifische Gewalt sowohl kurzfristige als auch langfristige Auswirkungen auf das körperliche, psychische und wirtschaftliche Wohlbefinden der Betroffenen. Die WHO bezeichnet Gewalt gegen Frauen* und Mädchen* daher als “ globales Problem der öffentlichen Gesundheit“. Die allgegenwärtige Furcht vor Gewalt beeinträchtigt die Fähigkeit von Frauen* und Mädchen*, gleichberechtigt und vollständig am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben (Bundeskriminalamt).

Um Frauen* und Mädchen* in Deutschland vor geschlechtsspezifischer Gewalt in Form von Menschenhandel und Genitalverstümmelung zu schützen, fordert die CEDAW-Allianz in ihrem Alternativbericht:

  • die Erarbeitung und Umsetzung Nationaler Aktionspläne zur Bekämpfung von Menschenhandel und FGM und zum Schutz aller Betroffenengruppen
  • eine politische Koordinierungsstelle Menschenhandel auf Bundesebene
  • eine ausreichende und langfristige Finanzierung bestehender Beratungsstellen sowie Ausbau des Hilfesystems für Betroffene von Menschenhandel und FGM
  • eine einheitliche Regelung, die von Menschenhandel Betroffenen Zugang zu angemessenen Leistungen ermöglicht
  • Fortbildungen zu Menschenhandel in Justiz und Strafverfolgung
  • die systematische Einbeziehung von Weiterbildungsangeboten zu geschlechtsspezifischer Gewalt, einschließlich FGM, in die Aus- und Weiterbildung relevanter Berufsgruppen
  • die Kennzeichnung von FGM vor allem Infibulation (Typ III) im Mutterpass, nur mit ausdrücklichem Einverständnis der Frau*, für eine bessere Versorgung betroffener Frauen* rund um die Geburt
  • mehrsprachige und leicht zugängliche Informationen über Hilfsangebote an allen geeigneten Stellen (z. B. Behörden, Arztpraxen, Beratungsstellen, Schulen)
  • die Durchführung einer nationalen Sensibilisierungskampagne zu FGM

Partnerschaftliche Gewalt stellt eine der weltweit häufigsten Formen geschlechtsspezifischer Gewalt dar. Sie umfasst körperliche, sexualisierte, emotionale, ökonomische oder psychische Handlungen, die darauf abzielen, Macht und Kontrolle über die Partnerin* zu erlangen oder aufrechtzuerhalten. Oft beginnt Partnerschaftsgewalt mit kontrollierendem Verhalten und verbalen Angriffen, die möglicherweise nicht als Gewalt erkannt werden und sich dann zunehmend verschärfen (die sogenannte „Gewaltspirale“).

Laut Bundeskriminalamt erfuhr im Jahr 2022 alle vier Minuten eine Frau* in Deutschland Gewalt durch ihren (Ex-)Partner*. Fast jeden Tag versucht ein (Ex-)Partner* eine Frau* zu töten, an jedem dritten Tag gelingt ihm* dies. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Betroffenen dabei um 9,1 Prozent gestiegen. Partnerschaftliche Gewalt umfasst in dieser Statistik Mord und Totschlag, Körperverletzungen, sexuelle Übergriffe und Nötigung, Vergewaltigung, Bedrohung, Stalking, Freiheitsberaubung, Zuhälterei und Zwangsprostitution. Dabei werden jedoch nur Straftaten erfasst, die auch zur Anzeige gebracht wurden. Die Dunkelziffer ist weitaus höher. Bundesfamilienministerin Lisa Paus sagte gegenüber dem Südwestrundfunk, es sei davon auszugehen, dass gut zwei Drittel der weiblichen* Betroffenen auch nach schwerster Gewalterfahrung nicht zur Polizei gehen. Zudem werden viele Formen psychische sowie ökonomische Gewalt gar nicht erfasst, da es in Deutschland dazu keine Straftatbestände gibt. Auch die Anzahl der Femizide in Deutschland, also die vorsätzlichen Tötungen von Frauen aufgrund ihres Geschlechts (Definition WHO), ist unbekannt. Grund ist die fehlende juristische Anerkennung des Begriffs „Femizid“ durch die Bundesregierung. Der geschlechtsspezifische Hintergrund von Femiziden spielt in Gesetzgebung und Rechtsprechung kaum eine Rolle. Das führt dazu, dass diese Tötungsdelikte seltener als Mord eingestuft und Täter* oft zu niedrigeren Haftstrafen verurteilt werden (Bundeszentrale für politische Bildung).

Effektiven Schutz vor Gewalt jeglicher Form bieten Frauenhäuser. Doch auch fünf Jahre nach der Ratifizierung der Istanbul Konvention, dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, fehlen immer noch etwa 15.000 Frauenhausplätze (CEDAW Alternativbericht). Dies hebt auch der UN-CEDAW Ausschuss in seinen abschließenden Bemerkungen hervor und fordert die Anzahl der Frauenhäuser zu erhöhen und Unterstützung zu anbieten, die sowohl zugänglich als auch an spezifische Bedürfnisse angepasst ist.

Darüber hinaus haben nicht alle Frauen* Zugang zu Frauenhäusern: Die aktuelle Regelung schließt Frauen* aus, die sich in prekären Aufenthaltsverhältnissen befinden, ebenso wie Studentinnen* und Auszubildende. Frauen* mit eigenem Einkommen oder Vermögen müssen für ihren Schutz selbst aufkommen. Darüber hinaus sind nur wenige Frauenhäuser barrierefrei. Frauen* mit besonderem Unterstützungsbedarf – sei es aufgrund von Assistenz- oder Pflegebedarf, Suchtproblemen, psychischen Erkrankungen oder mehreren Kindern sowie Opfer von Menschenhandel und Trans* Frauen – werden nur selten aufgenommen, da fast überall angemessene räumliche und personelle Ressourcen fehlen (CEDAW Alternativbericht).

Zur Bekämpfung dieser Missstände fordert die CEDAW-Allianz Deutschland in ihrem Alternativbericht:

  • gemäß den Anforderungen des Artikels 33 Istanbul-Konvention einen strafrechtlichen Tatbestand durch das Hervorrufen ernsthafter psychischer Beeinträchtigungen einzuführen. Darunter fallen z. B. nicht-körperliche Formen von häuslicher und sexualisierter Gewalt oder die Bedrohung von Opfern des Menschenhandels oder ihrer Angehörigen
  • den Begriff „Femizide” anzuerkennen und darauf hinzuwirken, dass Tötungsdelikte an Frauen* und Mädchen* grundsätzlich schärfer bestraft werden als bisher
  • Frauenhäuser bundesweit flächendeckend und bedarfsgerecht bereitzustellen. Die Vorgaben der Istanbul-Konvention sind zu berücksichtigen
  • Aufenthalts- und asylrechtliche Zugangshürden zu Frauenhäusern unverzüglich zu beseitigen und die barrierefreie Ausstattung aller Frauenhäuser intensiv zu fördern
  • die Verpflichtung von Bund, Ländern und Kommunen, sich gemeinsam in den Ausbau und die Sicherung der Finanzierung der Frauenhäuser einzubringen

Durch die weite Verbreitung sozialer Medien und technologischer Entwicklungen findet geschlechtsspezifische Gewalt vermehrt auch im digitalen Raum statt. Dabei spielen technische Hilfsmittel und digitale Medien wie Handys, Apps, Internetanwendungen und E-Mails eine große Rolle (Frauen gegen Gewalt e.V.). So erreichen im Internet veröffentlichte gewaltvolle Äußerungen sehr schnell ein großes Publikum und können nur schwer wieder gelöscht werden. Die Täter*innen bleiben häufig anonym, was die Strafverfolgung erschwert und somit die Hemmschwelle senkt. Formen digitaler Gewalt wie Drohungen, Beleidigungen oder Rufschädigung werden häufig gezielt gegen Frauen* eingesetzt, um sie zum Schweigen zu bringen und aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen. Gerade feministische und gleichstellungspolitische Akteur*innen erleben zunehmend, wie ihre Positionen und ihr öffentlicher Auftritt auf diese Weise angegriffen werden (Auswirkungen von Antifeminismus auf Frauenverbände).

Doch auch im Rahmen von Partnerschaftsgewalt spielen soziale Netzwerke und digitale Technologien zunehmend eine Rolle, etwa wenn Stalking-Apps oder Deep Fakes genutzt werden, um Betroffene anzugreifen. Digitale und analoge Gewalt verstärken und ergänzen sich dabei oft gegenseitig.

Zur Bekämpfung der digitalen Gewalt fordert die CEDAW Allianz in ihrem Alternativbericht:

  • eine langfristige und effektive Strategie gegen digitale Gewalt durch Expertise und Zusammenwirken staatlicher und nichtstaatlicher Akteur*innen zu entwickeln
  • Polizei und Justiz personell so auszustatten, dass Ermittlung und Strafverfolgung im Bereich digitaler Gewalt gewährleistet sind
  • Mitarbeitende in Behörden regelmäßig fortzubilden
  • eine angemessene Finanzierung und personelle Ausstattung der Fachberatungsstellen, um Frauen* und Mädchen*, die von digitaler Gewalt betroffenen sind, zu beraten

Durch die Ratifizierung der Istanbul-Konvention hat Deutschland sich dazu verpflichtet, effektive Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen* und Mädchen* voranzutreiben. Und auch der CEDAW-Ausschuss der UN definiert geschlechtsspezifische Gewalt in seiner allgemeinen Empfehlung Nr. 35 als eine Form der Diskriminierung und betont das Menschenrecht, frei von Gewalt zu leben. Doch die weiterhin hohen Zahlen an Betroffenen verdeutlichen: In Deutschland fehlt es an einer ganzheitlichen politischen Strategie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen* und andere marginalisierte Gruppen. Zudem sehen sich von Gewalt Betroffene oft erheblichen Hindernissen gegenüber, wenn sie versuchen, die Täter* anzuzeigen. Die Gerichtsverfahren selbst sind äußerst belastend, da sie oft von „Victim Blaming“ geprägt sind und die Betroffenen erneut traumatisieren. So wird betroffenen Personen vorgeworfen, sie seien an der erlebten Gewalt selbst schuld oder hätten diese provoziert, weil sie sich beispielsweise auf eine Verabredung über eine Dating-App eingelassen, feiern gegangen oder Drogen genommen haben (Humboldt Law Clinic Grund und Menschenrechte). Verurteilungen sind selten und führen zu vergleichsweisen milden Strafen (Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform).

Um das Menschenrecht auf Schutz vor Gewalt für alle Geschlechter und Geschlechtsidentitäten auch in Deutschland zu verwirklichen, fordert die CEDAW-Allianz in ihrem Alternativbericht:

  • eine bundesweit wirksame, intersektional ausgerichtete und ressortübergreifende Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen* und Mädchen*
  • die Einrichtung einer staatlichen Koordinierungsstelle nach Artikel 10 der Istanbul-Konvention
  • ein bundesweites, flächendeckendes und ausreichend finanziertes Netz an spezialisierten und barrierefreien Fachberatungsstellen zur zeitnahen Beratung und Unterstützung von gewaltbetroffenen Frauen*, zur Intervention nach einem Polizeieinsatz und bei oder nach sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend
  • bundesweite barrierefreie, mehrsprachige, diversitätsorientierte, niedrigschwellige weitere Hilfsangebote, wie z. B. Gesundheitsangebote für Mädchen* und Frauen*, (anonyme) Spurensicherung und Therapieplätze
  • Täterarbeit bundesweit auf- und auszubauen und als ergänzende Maßnahme zum Opferschutz einzubinden
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Rückblick auf das dritte Arbeitsplenum 2023

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Wiedersehensfreude und angeregter Austausch: Am vergangenen Freitag fand das letzte Arbeitsplenum der CEDAW-Allianz Deutschland in diesem Jahr statt.

Während der Hauptteil der gemeinsamen Arbeit digital stattfindet, kommen die Mitglieder der Allianz einmal pro Jahr für ein Arbeitsplenum in Berlin zusammen. Auf der Agenda stand diesmal unter anderem die Jahresplanung für das Jahr 2024, die ganz im Zeichen des 45. Jahrestags der Verabschiedung der Frauenrechtskonvention stehen wird. Geplant sind etwa eine Öffentlichkeitskampagne sowie eine Dialogveranstaltung mit Akteur*innen aus Politik und Zivilgesellschaft.


Darüber hinaus tauschten sich die Mitgliedsorganisationen über intersektionale Perspektive innerhalb des Netzwerkes und zum verlängerten Staatenberichtsverfahren aus. Das Staatenberichtsverfahren, als Kontrollmechanismus der Umsetzung der Frauenrechtskonvention, fand bisher im 4 Jahresturnus statt. Dieser soll nun auf 8 Jahre verlängert werden.

Doch auch unabhängig vom Staatenberichtsverfahren wird die CEDAW-Allianz Deutschland aktiv bleiben wird, um die gleichstellungspolitische Arbeit von Bund, Ländern und Kommunen kritisch zu begleiten.

Eindrücke vom Arbeitsplenum:

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Die CEDAW-Allianz Deutschland lädt zum parlamentarischen Frühstück

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Heute hat die CEDAW-Allianz Abgeordnete aller demokratischen Fraktionen im Bundestag zu einem parlamentarischen Frühstück geladen. Unter dem Motto „Menschenrechte für alle verwirklichen – die UN-Frauenrechtskonvention als wirksames Instrument“ wurden Möglichkeiten besprochen, CEDAW mehr in die Arbeit des Bundestages zu integrieren.

Schirmfrau Ulle Schauws (Bündnis 90/die Grünen) begrüßte die Abgeordneten und machte deutlich: Die Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention geht nur gemeinsam. Dabei betonte sie die wichtige Rolle der Zivilgesellschaft:

Stellvertretend für die Trägerorganisation Deutscher Frauenrat e.V. stellte Juliane Rosin, Projektleitung der Koordinationsstelle, die CEDAW-Allianz vor. Sie betonte, wie wichtig es sei, die UN-Frauenrechtskonvention bekannter zu machen und erläuterte, welche Möglichkeiten die Abgeordneten hätten, sie für ihre Arbeit zu nutzen. Denn als Legislative ist der Bundestag, genauso wie die Parlamente der Bundesländer, verpflichtet, die Umsetzung der Frauenrechtskonvention voranzutreiben. Das betonte auch der CEDAW-Ausschuss in seinen Abschließenden Bemerkungen zum deutschen Staatenberichtsverfahren. Abgeordnete können etwa Gesetzesvorschläge der Bundesregierung auf ihre Kompatibilität mit den Vorgaben der Frauenrechtskonvention prüfen, eigene Gesetzesinitiativen zur Umsetzung vorschlagen, oder den Stand der Umsetzung in Anfragen an die Bundesregierung kritisch verfolgen.

Anschließend diskutierten die Abgeordneten mit Mitgliedern der CEDAW-Allianz an sechs Thementischen zu ihren inhaltlichen Schwerpunkten. In der Abschlussrunde wurden die verschiedenen Ansätze vorgestellt, die zur Umsetzung der Frauenrechtskonvention und zum Erreichen von Gleichstellung diskutiert worden waren. Bei einem bestand dabei große Einigkeit: Der Einsatz für FrauenMenschenrechte gehört fraktions- und ressortübergreifend auf die Agenda.

Mehr zur Bedeutung der Parlamentarier*innen bei der Umsetzung von CEDAW im Handbuch CEDAW for Parliamentarians.

Die Forderungen der Allianz für die Umsetzung der Frauenrechtskonvention in Deutschland können Sie dem Alternativbericht entnehmen.

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International Day of Care and Support

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Am 29. Oktober 2023 wird zum ersten Mal der International Day of Care and Support (auf Deutsch: Internationaler Tag der Pflege und Betreuung) begangen. Die Vereinten Nationen (UN) haben diesen im Sommer offiziell einberufen. Gewerkschaften auf der ganzen Welt nutzen den 29. Oktober bereits seit vier Jahren als Tag der Pflege, um auf die Relevanz der Pflege für unsere Gesellschaft und Wirtschaft aufmerksam zu machen.

Druck des internationalen Gewerkschaftsbundes

Der internationale Gewerkschaftsbund ITUC setzte sich jahrelang dafür ein, dass der 29. Oktober offiziell von den UN als Internationaler Tag der Pflege anerkannt wird und begrüßt diesen Schritt. Sie wollen den Tag nutzen, um Bewusstsein für die Relevanz von Pflege und die Notwendigkeit von Investitionen im Pflegesektor zu schaffen. Konkret fordern sie:

  • Verstärkte öffentliche Investitionen in den Pflegesektor,
  • Politische Maßnahmen für eine gerechtere Aufteilung von Pflege- und Betreuungsaufgaben zwischen den Geschlechtern, und
  • Menschenwürdige Arbeitsbedingungen für alle Pflegekräfte.

Die Pflegewirtschaft und ihre Relevanz für Geschlechtergerechtigkeit

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass das Funktionieren von Wirtschaft und Staat keine Selbstverständlichkeit ist. Um Krisen zu überstehen, sind alle Menschen auf ein soziales, solidarisches und fürsorgliches Miteinander angewiesen.

Zudem hat sie sehr deutlich gemacht, wie ungleichmäßig und geschlechtsspezifisch die Pflege- und Sorgearbeit (bezahlt und unbezahlt) in unserer Gesellschaft immer noch verteilt ist. Es sind mehrheitlich Frauen*, die im Pflegesektor arbeiten und unter den dort herrschenden, teils sehr prekären Arbeitsbedingungen und -belastungen leiden. Und auch zuhause sind es vor allem Frauen*, die die Betreuung und Pflege von Kindern und sonstigen Angehörigen übernehmen. Das führt nicht nur zu größerer psychischer Belastung, sondern hat auch großen Einfluss auf die Lohnlücke zwischen Männern* und Frauen*: Frauen* haben längere Erwerbsunterbrechungen, arbeiten häufiger in Teilzeit und weniger oft in Führungspositionen. Denn sie sind es, die sich um Kinder und andere Angehörige kümmern (Arbeitsagentur).

Diese geschlechtsspezifische Arbeitsteilung beeinflusst maßgeblich das höhere Armutsrisiko von Frauen* in allen Altersgruppen (laut Mikrozensus war die Armutsgefährdungsquote von Frauen* 2022 um 2 Prozentpunkte höher als die von Männern*). Besonders betroffen sind Alleinerziehende sowie Frauen* im Rentenalter.

Ökonomische Abhängigkeit kann zudem das Gewaltrisiko erhöhen: Bei wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Partner* fällt es Frauen* schwerer, sich zu trennen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Kinder in der Beziehung leben. Schätzungen gehen davon aus, dass die Ursachen von Wohnungslosigkeit von Frauen* in 25 Prozent der Fälle Trennung bzw. Scheidung und in 19 Prozent der Fälle eine akute Gewaltsituation durch den Partner* sind (Nationale Armutskonferenz 2017).

#InvestInCare und was sonst noch getan werden muss

Unter dem Hashtag #InvestInCare (Deutsch: in Pflege investieren) rufen der internationale Gewerkschaftsbund sowie weitere internationale Arbeitnehmer*innenvertretungen (etwa die Women in Informal Employment WIEGO) am 29.10. dazu auf, mehr in die Pflegewirtschaft zu investieren.

Auch die CEDAW-Allianz fordert die Bundesregierung in ihrem Alternativbericht dazu auf, alle frauendominierten sozialen und personenbezogenen Dienstleistungsberufe durch eine leistungsgerechte Vergütung aufzuwerten. Zudem sollte politischen Entscheidungen grundsätzlich ein ganzheitlichen Arbeitsbegriff zugrunde gelegt werden, der neben bezahlter Erwerbsarbeit auch unbezahlte Sorgearbeit berücksichtigt.

Konkret würde das bedeuten:

  • den Wert von Sorge- und Hausarbeit in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung sichtbar zu machen
  • das gleichstellungspolitische Handeln der Bundesregierung konsequent am Earner-Carer-Modell auszurichten und Frauen* wie Männern* in Paarbeziehungen eine eigenständige Existenzsicherung zu ermöglichen
  • Fehlanreize für die nicht-partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit abzuschaffen und Männer* bei der Übernahme von Sorgeverantwortung stärker zu unterstützen
  • die individuellen, nicht übertragbaren Elterngeldmonate zu erhöhen und finanzielle Anreize für die partnerschaftliche Aufteilung der übertragbaren Elterngeldmonate zu schaffen
  • den Mindest- und Höchstbetrag anzuheben, zu dynamisieren und Elterngeld Plus sowie den Partnerschaftsbonus anzupassen
  • alle Elterngeld-Regelungen für Alleinerziehende entsprechend anzupassen
  • bezahlte Freistellung für den zweiten Elternteil rund um die Geburt einzuführen und die EU-Vereinbarkeitsrichtlinie in deutsches Recht umzusetzen
  • eine Entgeltersatzleistung für Pflegezeiten analog zum Elterngeld einzuführen
  • Ausbau der professionellen Pflege sowie wohnortnahe Entlastungsangebote für pflegende Angehörige (haushaltsnahe Dienstleistungen, bedarfsgerechte Kurzzeit-, Tages- und Nachtpflegeangebote)
  • Beschäftigte, die für Erziehung oder Pflege ihre Arbeitszeit reduzieren oder ihre Berufstätigkeit unterbrechen, finanziell besser abzusichern und diese Zeiten rentenrechtlich angemessen zu berücksichtigen
  • die Tarifbindung, besonders in der Pflege, zu stärken und haushaltsnahe Dienstleistungen durch öffentliche Zuschüsse zu fördern
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Nach Mitgliedsvorstellung auf dem Account der CEDAW-Allianz: BVT* schließt X-Account

Die Frauenrechtskonvention umsetzen

Im Rahmen einer Social-Media-Kampagne stellt die CEDAW-Allianz derzeit ihre Mitglieder und deren zentralen Forderungen auf X (ehemals Twitter) und Instagram vor. In einem Tweet der CEDAW-Allianz auf X vor zwei Wochen hatte sich Dr. Tuuli Reiss als Referent*in für Gesundheitspolitik und Gewaltschutz im Namen des Bundesverband Trans* (BVT*) für den gemeinsamen Einsatz gegen Sexismus und für geschlechtliche Vielfalt ausgesprochen.

Dem Post und Statement folgten zahlreiche trans*feindliche Hasskommentare, die sich sowohl gegen di*en Referent*in persönlich als auch den BVT* allgemein und die Allianz richteten. In Folge hat sich der BVT* nun entschieden, seinen X Account zu schließen.

Auf X nehmen trans*feindliche und andere diskriminierende Botschaften weiter zu:

„Seit Monaten verschärft sich die Diskussionsatmosphäre auf der Social-Media-Plattform X (ehemals Twitter). Der Bundesverband Trans* beendet nun nach einem trans*feindlichen Shitstorm seine Präsenz bei X mit Verweis auf die explizite Ablehnung von Anti-Diskriminierungsstandards durch das Unternehmen.“

Zur Pressemitteilung des BVT* vom 5. Oktober.

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