11.07.2024

Regierung einigt sich auf Bundeshaushalt 2025 – eine gleichstellungspolitische Einordnung

Die Ampelregierung hat sich auf Eckpunkte für den Bundeshaushalt 2025 geeinigt. Der Bundestag muss dem Entwurf noch zustimmen, das geschieht vermutlich im Herbst. Doch was bedeutet der geplante Etat für gleichstellungspolitische und feministische Anliegen?

481 Milliarden Euro Ausgaben sind für den Bundeshaushalt im nächsten Jahr vorgesehen – gegenüber 2024 sollen damit etwa 8 Milliarden Euro weniger ausgegeben werden. An den geplanten Kürzungen gibt es Kritik. Die Gewerkschaften und der Sozialverband Deutschland kritisieren fehlende Investitionen im sozialpolitischen Bereich und fordern eine Reform des Steuersystems. Denn die aktuelle Steuerpolitik belastet Geringverdienende stärker als wohlhabende oder vermögende Menschen. Die in den 1990er Jahren ausgesetzte Vermögenssteuer wieder einzuführen, hätte laut einer Oxfam-Studie allein im letzten Jahr etwa 30 Milliarden Euro an Mehreinnahmen bedeutet.

Die geschlechtsspezifischen Dimensionen der Haushaltspolitik berücksichtigen

Die Auswirkungen der Steuerpolitik sind dabei keineswegs geschlechtsneutral: Da Frauen* seltener über Vermögen verfügen, zahlen sie anteilig zu ihrem Einkommen deutlich mehr Steuern als Männer*. Zugleich profitieren sie meist weniger von staatlichen Subventionen und Steuervergünstigungen. Ein Beispiel ist das sogenannte Dienstwagenprivileg, das den Staat Schätzungen zufolge jährlich mindestens 3,1 Milliarden Euro an Steuereinnahmen kostet, und von dem viermal so viele Männer* profitieren wie Frauen*. Allgemein nutzen Frauen* häufiger öffentliche Verkehrsmittel oder gehen zu Fuß, als dass sie Auto fahren. Fehlende Subventionen in die Verkehrswende (bspw. Ausbau und Erneuerungen im ÖPNV) benachteiligen daher ebenfalls Frauen* im Vergleich zu Männern*. Um die geschlechtsspezifischen Auswirkungen der Haushaltspolitik besser erfassen und berücksichtigen zu können, fordert die CEDAW-Allianz Deutschland von der Bundesregierung, Gender Budgeting im Bundeshaushalt umzusetzen und im Bundesfinanzministerium federführend einen Implementierungsplan auszuarbeiten. So könnten alle neuen Maßnahmen und Gesetze auf das Voranbringen der Geschlechtergerechtigkeit hin überprüft werden.

Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt ist auch ein Wachstumsmotor

Zeitgleich zur Haushaltseinigung haben sich die Parteispitzen der Regierungsparteien auf Eckpunkte für ein „Wachstumspaket“ geeinigt. Dieses sieht u.a. verstärkte Sanktionierungsmöglichkeiten beim Bürgergeld oder steuerliche Anreize für zugewanderte Fachkräfte vor, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Völlig unberücksichtigt bleibt hingegen, dass viele Menschen mit Sorge- und/oder Pflegeverantwortung – unter ihnen vor allem Frauen* – dem Arbeitsmarkt aufgrund mangelhafter Infrastruktur und Unterstützung nicht zur Verfügung stehen. Von den 4 Millionen erwerbsfähigen Bürgergeld-Bezieher*innen sind laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales 20 Prozent erwerbstätig und müssen aufstocken. Ein Mindestlohnniveau von 60 Prozent des Medianlohns zu etablieren, wie es die CEDAW-Allianz fordert, würde bedeuten, dass weniger Erwerbstätige auf die Aufstockung angewiesen sind. Weitere 40 Prozent stehen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, etwa weil sie kranke Angehörige pflegen oder Kinder betreuen müssen. Diese sogenannte „Stille Reserve“, der mehrheitlich Frauen* angehören, stünde dem Arbeitsmarkt eher zur Verfügung, wenn es ein besseres Betreuungsangebot gäbe – und genau dafür braucht es weitreichende Investitionen. Gleichstellung von Frauen* und Männern* im Erwerbsleben ist also nicht nur ein Gebot der Antidiskriminierung, sondern kann auch Wachstum und wirtschaftliche Stabilität fördern.

Geld für die Frauenmenschenrechte bereitstellen

Während das Budget des Verteidigungsministeriums erneut um über eine Milliarde auf 53,2 Milliarden Euro anwachsen soll, sind für die Kindergrundsicherung weiterhin nur 2 Milliarden Euro veranschlagt. Derzeit ist unsicher, ob die Kindergrundsicherung Anfang nächsten Jahres eingeführt werden wird. Stattdessen wird der Kindersofortzuschlag um fünf Euro auf 25 Euro angehoben. Dabei wäre eine armutsfeste Kindergrundsicherung gerade für Alleinerziehenden wichtig, damit Kinder auch in Einelternfamilien in wirtschaftlich stabilen Verhältnissen aufwachsen können. Zudem bräuchte es mehr Investitionen in das Schutz- und Unterstützungssystem für Frauen* vor Gewalt, um u.a. Beratungsstellen und Frauenhäuser barrierefrei gestalten zu können. Auch Präventionsmaßnahmen, u.a. Täterarbeit, sollten als ergänzende Maßnahme zum Opferschutz bundesweit auf- und ausgebaut werden.

Vor dem Haushaltsbeschluss hatten sich 180 zivilgesellschaftliche Organisationen an Olaf Scholz gewandt, um Kürzungen in der Demokratieförderung zu verhindern. Insbesondere der kleinere Etat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bedrohe zivilgesellschaftliche Projekte und Initiativen und komme zu einem Zeitpunkt, zu dem das Engagement für Demokratie und gegen Menschenfeindlichkeit wichtiger sei denn je. Auch der Verband der Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO) kritisiert die Kürzungen in der internationalen Zusammenarbeit stark. Dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sollen demnach eine Milliarde Euro weniger Mittel zur Verfügung stehen, für die Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt gibt es mehrere Millionen Euro weniger. Das gefährde Sicherheit, nachhaltige Entwicklung und globale Gerechtigkeit.  

Die CEDAW-Allianz hat bereits in ihrem Alternativbericht 2023 gefordert, die gesamte Haushaltsführung mit Zielen entlang der Menschenrechtsabkommen, qualitativer und quantitativer Indikatoren sowie Benchmarks zu unterfüttern. Denn der Bundeshaushalt stellt die Weichen für die Politik der Bundesregierung und gibt vor, in welchem Rahmen Gleichstellungspolitik stattfinden kann. Der Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit kostet Geld und braucht eine Politik, die Menschenrechte und Antidiskriminierungsarbeit priorisiert!